Michael Mack – Der CEO von Syngenta erwartet 2009 kein Boomjahr. Doch im 2. Semester hätten sich Wechselkurse und Rohmaterialkosten zu Syngentas Gunsten entwickelt. Angesichts des Klimawandels sieht er Potenzial in dürreresistenten Produkten, welche er bald auf den Markt bringt.
Interview: Claudia Gnehm
Nach dem ersten Semester 2009 sagten Sie, Syngenta sei von der Krise verschont geblieben. Sehen Sie das immer noch so?
Michael Mack: Direkt hat uns die Finanzkrise kaum geschadet. Rund 90% unserer Kunden hatten wenig Mühe, Kredite zu erhalten und waren nach dem Rekordjahr 2008 finanziell gut ausgestattet. Nur in einigen Ländern wie Russland und der Ukraine hatten die Landwirte erschwerten Zugang zu Krediten. Aber höchstens 10% unseres Geschäfts war von der Bankensituation direkt beeinflusst.
Und indirekt?
Mack: Die Rezession in der Weltwirtschaft hat auch das Wachstum der Agrarwirtschaft verlangsamt. Im Vergleich zu anderen Branchen sind wir aber weniger betroffen. Wir gehen für das 2. Semester von denselben Annahmen aus wie im Sommer. Allerdings ist 2009 sicherlich ein schwierigeres Jahr als das vorangegangene Geschäftsjahr mit seinem Rekordwachstum.
Einen sehr grossen Einfluss hat das Wetter auf Syngenta. War es die letzten Monate auf Ihrer Seite?
Mack: Nein, das Wetter war dieses Jahr meistens auf der Seite der Landwirte und nicht auf der Seite der Pestizidhersteller. Unsere Mittel zur Bekämpfung von Pilzerkrankungen kommen stärker zum Einsatz, wenn es feucht und heiss ist. Wenn es hingegen feucht und kalt ist oder heiss und trocken, gibt es weniger Pilzbefall. In Europa war es in dieser Saison kaum feucht und heiss; dasselbe gilt für Amerika.
Sie erwarteten nach den negativen Auswirkungen der Wechselkurse im 1. Semester eine Besserung im 2. Semester. Hat sich das materialisiert?
Mack: Ja. Sowohl die negativen Einflüsse bei Wechselkursen als auch die Kosten für Rohmaterialien im 1. Semester, haben sich im 2. Semester zu unseren Gunsten entwickelt.
Sie waren Anfang des Jahres sehr erfolgreich bei der Erhöhung von Preisen. Konkurrenten wie Monsanto klagen nun über enormen Preisdruck durch günstige Generika und sehen sich gezwungen, ihre Preise zu senken. Müssen Sie nachziehen?
Mack: Wir konnten im vergangenen Jahr mit unserem hochwertigen Portfolio deutliche Preissteigerungen im Markt durchsetzen. Wir sind nun bestrebt, dieses Preisniveau in einem veränderten Marktumfeld mit intensivem Wettbewerb zu halten.
Wie wollen Sie die angepeilte Jahres-Ebitda-Marge von 15% im Saatgutgeschäft bis 2011 erreichen?
Mack: Wir haben lange an unserem Saatgut-Portfolio für Mais in Nordamerika gearbeitet. Zuerst müssen wir jetzt die Pflanzeneigenschaften (Traits), die wir entwickelt haben, in das Mais-Saatgut einzüchten. Zweitens wollen wir unser Saatgutgeschäft weltweit weiter ausbauen. 2000 belief sich das Saatgutgeschäft nur auf 950 Mio Dollar. Heute sind es 2,4 Mrd Dollar. Drittens möchten wir unser Saatgutgeschäft mit gezielten Akquisitionen weiter ausbauen. Und schliesslich sind wir dabei, unsere Aktivitäten in den so genannten Backoffice-Bereichen zu vereinheitlichen und effizienter zu gestalten.
Letztes Jahr hat Syngenta allein 969 Mio Dollar in die Forschung investiert. Halten Sie dieses Investitionsvolumen aufrecht?
Mack: Ja, die Forschungsinvestitionen bleiben auf einem hohen Niveau, etwa 9% des Umsatzes. Wir erweitern für rund 600 Mio Dollar die Herstellkapazitäten für zwei wichtige Wirkstoffe, die in umsatzstarken Produkten zum Einsatz kommen. Die Investitionen fliessen dabei vor allem in zwei neue Anlagen, eine in Schottland und eine in Monthey im Wallis. Diese Projekte entwickeln sich gut, und ich sehe bereits der Einweihung der ersten Anlage im Dezember in Monthey entgegen.
Die Anlage ist früher fertig als erwartet.
Mack: Ja. In Monthey schaffen wir damit ein Dutzend neue Arbeitsplätze. Künftig wird von dort aus die ganze Welt mit dem Wirkstoff Thiametoxam beliefert. Weiter investieren wir rund 350 Mio Dollar weltweit in unsere Pflanzeneigenschaften (Traits) und unser Saatgutgeschäft. Ausserdem wollen wir in den Schwellenländern unsere Marketingkapazitäten ausbauen. Dieses Jahr rechnen wir mit einem Investitionsvolumen von insgesamt rund 900 Mio Dollar.
Für die Versorgung aller Erdenbewohner müsste die Getreideproduktion gemäss FAO bis 2050 um 70% zunehmen. Um wie viel dürften die Märkte für Planzenschutzmittel und Saatgut wachsen?
Mack: Diese erforderliche Steigerung der Ernten kann zum Teil durch bessere Verfahren in der Landwirtschaft erreicht werden. Aber auch Pflanzenschutzmittel und besseres Saatgut werden einen wichtigen Teil dazu beitragen. Wir haben keine konkreten langfristigen Marktprognosen. Aber wir erwarten, dass der Markt für Saatgut und Traits zweistellig wächst und das Pflanzenschutzgeschäft mit tiefen bis mittleren einstelligen Raten wachsen wird. Das würde einen Zuwachs von 70% bis 2050 ermöglichen.
Wo erwarten Sie geografisch die höchsten Wachstumsraten?
Mack: In Asien rechnen wir mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Und in entwickelten Märkten wie Westeuropa wollen wir unseren Marktanteil steigern. Dabei setzen wir vor allem auf die Qualität unseres Portfolios und die neuen Produkte in unserer Entwicklungspipeline.
Haben Sie für den weltersten Pflanzenspray gegen Dürre, Invinsa, bereits eine Marktzulassung, und wie hoch ist die mögliche Produktivitätssteigerung?
Mack: Die Markteinführung von Invinsa für Reis bereiten wir derzeit in diversen Ländern Asiens vor. Wir gehen davon aus, dass Invinsa den Reisertrag bei Trockenperioden im Schnitt um 10% steigern kann.
Entwickeln Sie im Saatgutbereich ebenfalls Produkte, welche gegen Dürre und Wasserknappheit gewappnet sind?
Mack: Dürretoleranz ist ein neuer Forschungsbereich. Unser erstes Saatgut, ein dürreresistenter Mais, soll 2011 auf den US-Markt kommen. Wir setzen bei der Entwicklung dürretoleranter Sorten sowohl auf natürliche Züchtung als auch auf Gentechnik.
Syngenta wird zu den Gewinnern der Klimaerwärmung zählen?
Mack: Wir arbeiten daran, Lösungen für diese Herausforderung zu finden. Wenn wir beim Mais verstehen, welche Gene relevant sind für die Dürretoleranz, können wir das auch auf andere Pflanzen anwenden. Dennoch sind ein paar Tage mit 45° C für eine Pflanze etwas anderes als drei Wochen ohne Wasser.
Was erwartet Syngenta von der Klimakonferenz in Kopenhagen?
Mack: Erstens hoffe ich, dass es überhaupt ein Resultat gibt. Dann hoffe ich, dass ein paar sehr einfache, aber effektive Massnahmen ergriffen werden, um den Kohlendioxid-Ausstoss zu reduzieren. In der Landwirtschaft könnte man beispielsweise sehr viel Emissionen einsparen, wenn die Landwirte Herbizide anwenden würden, anstatt nach der Ernte die Erde umzupflügen und damit Kohlendioxid freisetzen, das sonst im Boden gebunden bleiben würde.
Zum Thema Gentech: Wie hoch ist der GM-Anteil im Saatgutgeschäft?
Mack: Das ist unterschiedlich. In den USA ist bei Mais, Soja, Raps und Baumwolle 90% des Saatguts gentechnisch verändert. In Lateinamerika sind es bei Soja bereits etwa 80%; bei Mais, der erst seit zwei Jahren zugelassen ist, sind es rund 30%. Von Mais und Soja, welche wir in den USA verkaufen, sind rund 95% gentechnisch verändert. Weltweit liegt der Anteil gentechnisch veränderten Saatguts an unserem Gesamtumsatz aber unter 10%.
Sie haben einmal gesagt, dass die Fleischpreise in Europa so hoch sind, weil die Produzenten die Tiere nicht mit europäischem GMO-Futter füttern können.
Mack: Ich bin überzeugt davon, dass die europäischen Fleischproduzenten längerfristig mehr für das Futter zahlen müssen, weil Futter aus nicht gentechnisch veränderten Pflanzen immer teurer wird.
Was denken Sie, wann werden die Europäer ihre Ansicht zu genetisch modifizierten Pflanzen ändern?
Mack: Wir diskutieren das oft. Ein Wechsel wird frühestens unter der neuen EU-Kommission 2010 kommen. Es geht meistens nicht nur um die Gentechnik. Als Amerikaner will ich nicht zu viel sagen. Aber ich denke, dass dabei auch die Bedenken über eine fortschreitende Globalisierung und die Befürchtung einer abnehmenden Bedeutung nationaler Identitäten eine Rolle spielen. Gentechnik ist für viele ein Sinnbild der Globalisierung und wird auch daher als Bedrohung empfunden.