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Proteste gegen Blocher in der Schweiz eskalieren

Wahl-Feier auf dem Bundesplatz fiel ins Wasser Foto: Christian Michel

Linksautonome verhindern Kundgebung der rechts-konservativen Volkspartei SVP – 21 Verletzte und 42 Festnahmen

Claudia Gnehm-Laubscher

Bern – Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in der Schweiz haben schwere Krawalle den Wahlkampf überschattet. Etwa 500 Linksautonome stoppten am Samstag einen Umzug von rund 10 000 Anhängern der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) in Bern. Es kam zu massiven Straßenschlachten mit der Polizei, bei denen mindestens 21 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, darunter 18 Beamte. 42 Personen wurden nach Behördenangaben vorübergehend festgenommen. Restaurants wurden verwüstet, die Scheiben von Banken eingeschlagen, Autos in Brand gesetzt. Nachdem die Polizei anrückte, zerstreute sich der „schwarze Block“. Der Sachschaden wurde mit Zehntausenden Franken angegeben.

Die Krawalle waren vorhersehbar, aber nur schwer vermeidbar. Denn sie sind symptomatisch für den aufgeheizten Schweizer Wahlkampf. Die Polarisierung zwischen Blocher-Anhängern und -Gegnern musste sich mitten auf dem Bundesplatz zwangsweise entladen.

Vorgesehen für den letzten großen Wahlaufruf der Volkspartei waren Auftritte von Fahnenschwingern und Volksmusikern sowie Reden der beiden SVP-Bundesräte Christoph Blocher und Samuel Schmid. Die Volkspartei hat in den neuesten Umfragen mit 26,1 Prozent vor den Sozialdemokraten (22,3 Prozent) und den Mitteparteien FDP (15,3 Prozent) und CVP (14,9 Prozent) in der Wählergunst zuletzt Höchstwerte erreicht.

Doch zum Fest kam es nicht: Die Festzelte und weitere Infrastruktur auf dem Bundesplatz legten die Randalierer in Schutt und Asche. Eine Rede hielt Justizminister Blocher aber trotzdem. Darin beschuldigte er die rot-grüne Berner Stadtregierung, die Sicherheit bei der SVP-Kundgebung nicht gewährleistet zu haben. Die Ausschreitungen ermöglichen seiner Partei jedoch so kurz vor den Wahlen noch einmal höchste Aufmerksamkeit sowie die Inszenierung als politische Opfer.

So trat also ein, was die politischen Gegner eigentlich verhindern wollten. Die Berner Regierung wollte mit der Zulassung des SVP-Festes beweisen, dass sie die Meinungsfreiheit respektiert. Die linken Parteien ihrerseits verweigerten den Anti-SVP-Demonstrationen am Samstag ihre Sympathie. Nicht einmal die gleichzeitige Gegenkundgebung „Fest gegen Rassismus“ auf dem Berner Münsterplatz unweit des Bundesplatzes wollten sie wegen der Gefahr von Ausschreitungen unterstützen.

„Wenn es zwei Wochen vor den Wahlen zu Krawallen kommt, ist das Wasser auf die Mühlen der SVP“, sagte Manuel Widmer von der Grünen Freien Liste. Die liberale Mittepartei FDP zeigte sich überzeugt, dass die Eskalation das Resultat stilloser Politik von links und rechts sei: „Wer Hass sät, wird Hass ernten.“

Für den Berner Politologen Georg Lutz steht fest: „Die extreme Linke hat der SVP mit den Ausschreitungen einen Dienst erwiesen.“ Die SVP habe Aufmerksamkeit auf sich lenken können und werde möglicherweise von einem Solidarisierungseffekt der Wähler profitieren.

Dass die SVP sich geschickt und mit großer finanzieller Unterstützung des Milliardärs Blocher in Szene setzen kann, ist nichts Neues. Doch die Art und Weise, wie sie mit dem Schüren von Überfremdungsangst auf Stimmenfang geht, hat dieses Jahr selbst den UN-Berichterstatter für Rassismus, Doudou Diène, auf den Plan gerufen. Er verlangte den Rückzug des SVP-Wahlplakats, auf dem ein schwarzes Schaf aus dem Land „befördert“ wird. Doch weder die UN-Kritik noch die Tatsache, dass die deutsche NPD das Plakat kopierte, bewog die SVP zum Rückzug – vielmehr erfreute sie sich der zunehmenden internationalen Aufmerksamkeit.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ meint über Blochers Auftritte der letzten Wochen: „Selbst wenn seine Partei am 21. Oktober von der Zuspitzung des Wahlkampfes auf unsinnige Komplotte und sGeheimpläne profitieren sollte, sind die SVP und ihr Bundesrat nicht viel weiter als heute. Weil sie gegen alle anderen politisiert, geht sie selbst mit qualifizierten Kandidaten oft auch dort leer aus, wo sie Anspruch auf einen Sitz hätte. Wer Wahlgewinne in einem Mehrparteiensystem ummünzen will, muss Koalitionen und damit auch Kompromisse eingehen können.“

Aus Sicht der attackierten SVP ist dies nur die Einschätzung einer Zeitung, die nicht hinter ihr steht. Falls Blocher aus dem Bundesrat gekippt würde – die Wahlen zum Bundesrat finden am 12. Dezember statt -, wird er eine eigene Tageszeitung lancieren, wie SVP-Präsident Ueli Maurer kürzlich bekannt gab. Nach der Partei dann die Zeitung.


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