Tages-Anzeiger,

„Für Schweizer Firmen könnte das eine Diskriminierung bedeuten“

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und C. Gnehm im neuen Maracana-Stadion in Rio.

Bundesrat Johann Schneider-Ammann bemüht sich in Brasilien um ein Freihandelsabkommen, damit die Schweiz gegenüber der EU nicht ins Hintertreffen gerät.

Interview: Claudia Gnehm

Sie wollten vorwärts machen mit dem Freihandelsabkommen mit Brasilien. Was haben Sie erreicht?
Johann Schneider-Ammann: Ich wollte die brasilianischen Wirtschafts- und Aussenminister dazu bringen, unsere bestehende Gesprächsplattform – das Joint Comittee der europäischen Freihandelszone Efta und ihrem südamerikanischen Pendant Mercosur – zu aktivieren. Damit wir mit der Exploration für ein mögliches Freihandelsabkommen starten können. Nach dem Treffen mit den Ministern bin ich zuversichtlich, dass die Gespräche in den nächsten Monaten starten können.

Sie haben schon vor 2 Jahren dasselbe Interesse angemeldet. Wieso glauben Sie jetzt an einen Durchbruch?
Die damaligen Minister haben mir klar gesagt, die Efta sei nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Inzwischen sind andere Leute zuständig. Der brasilianische Vize-Wirtschaftsminister und der Aussenminister haben viel offener und positiver reagiert.

Was genau wollen Sie explorieren?
Wir möchten ausleuchten, ob ein Freihandeslsabkommen für beide Seiten Sinn macht und komplementär ist. Wenn ja, dann werden wir diskutieren, wie wir ein solches Verhandlungsmandat ausgestalten können.

Wird die Schweiz zusammen mit der Efta verhandeln oder unabhängig wie im Fall des China-Abkommens?
Wir klopfen seit Jahren im Rahmen der Efta bei den Brasilianern an, auch weil die EU mit dem Mercosur über ein Abkommen verhandelt. Es gibt aber auch Anzeichen, dass der Mercosur nicht nur mit einem Block von Staaten verhandeln muss.

Ist die Türe für die Schweiz offener, wenn die Europäer mit ihren Brasilien-Verhandlungen weiter kommen?
Für uns ist sehr wichtig zu wissen, wie weit die Verhandlungen der Brasilianer mit der EU sind. Ich habe klar gemacht, dass ein Abkommen mit der EU für die Schweizer Firmen eine Diskriminierung bedeuten könnte. Die Konkurrenten der Schweiz in Brasilien kommen insbesondere aus der EU. Deshalb will ich wissen, ob wir eine Chance haben, um nachzuziehen.

Was macht Brasilien als Freihandelspartner interessant?
Brasilien birgt grosse Chancen für die Industrie und den Dienstleistungssektor. Für die exportierende Landwirtschaft werden sicherlich Bedingungen gestellt.

Die brasilianische Landwirtschaft wird genetisch veränderte Organismen in die Schweiz exportieren wollen.
Diese Fragen kommen sicher. Da müssen wir uns schon bei den möglichen Explorationen einigen, wie weit wir gehen können oder eben nicht. Daran müssen wir uns vorsichtig herantasten. Brasilien ist ein Agrarland, das den Export sucht und Importe akzeptiert, sofern sie komplementär sind.

Schweizer Unternehmen beschäftigen in Brasilien 130’000 Angestellte. Dominieren die Rohstofffirmen?
Die Schweizer sind mit rund 200 Tochtergesellschaften breit vertreten. Einer der ersten Niederlassungen errichtete Nestlé. Präsent sind auch Pharma-, Chemie, der Dienstleistungssektor und die Industrie.

Die Ammann-Gruppe, Ihr Sohn, hat letztes Jahr in Porto Alegre eine Produktionsgesellschaft für ganz Lateinamerika eröffnet. Er profitiert vom Nachholbedarf für Infrastrukturinvestitionen…
Ich äussere mich nicht zur Ammann-Gruppe. Als Wirtschaftsminister ist es mir wichtig, die Handelsbeziehungen zu verbessern. Nicht nur globalisierte Grosskonzerne sondern auch KMU sollen etwa im Infrastrukturbereich von einem Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse profitieren. Ich mache meine Politik nicht für einzelne Branchen oder Unternehmensgrössen. Der Protektionismus in Brasilien ist enorm.

Sie wollen auch ein Doppelbesteuerungsabkommen und ein Investitionsabkommen abschliessen.
Unsere Aussenwirtschaftspolitik basiert auf den drei Beinen; Doppelbesteuerungs-, Investitionsschutz- und Freihandelsabkommen – da haben wir noch viel Arbeit in Brasilien.

Schon bei Ihrer Ankunft in Brasilien am Flughafen Sao Paulo lief nicht alles reibungslos, eine Maschine der Alitalia blockierte das Gate unseres Fliegers, Stau auf den Strassen sind Alltag. Trauen Sie den Brasilianern zu, für die Fussball-WM die Stadien und Infrastruktur bereit zu haben?
Es hat noch jeder Grossanlass letztlich gut funktioniert. Ich bin überzeugt, dass auch die Brasilianer eine gute WM veranstalten werden. Noch wird überall trainiert – aber dabei lernt man aus den Fehlern und weiss, was man optimieren kann. Ich habe keine Bedenken.

Was für eine Rolle spielt der Hass der Brasilianer auf die Fifa?
Die Fifa ist in der Schweiz domiziliert, geführt von einem Schweizer, aber es ist eine internationale Organisation. Ich bin zu wenig nah dran, um korrekt zu beurteilen, wie gross die Spannungen sind. Doch Fussball ist die Versöhnungsportart schlechthin. Jetzt kommt die WM in ein Land, das vom Fussball lebt. Die Brasilianer und die Fifa werden sich von der besten Seite zeigen.


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