In der Schweiz verursachen die Zement-Unternehmen mit Abstand am meisten Treibhausgasemissionen – allen voran Lafarge Holcim. Auch international heizen Schweizer Firmen die CO2-Emissionen an. Glencore gehört zu den Top-100-Verschmutzern.
Die einzelnen Klima-Übeltäter unter den grössten Firmen in der Schweiz sind schnell ausgemacht. Die drei Zementwerke von Lafarge Holcim in Siggenthal AG, Untervaz GR und Eclépens VD stossen pro Jahr 1,4 Millionen Tonnen CO2 aus. Zum Vergleich: Ein Einfamilienhaus mit Ölheizung verursacht jährlich rund 5 Tonnen CO2.
Am meisten Energie fressen die Zementöfen, die auf fast 1500 Grad Celsius erhitzt werden müssen, um die Mineralien zu verarbeiten. Ausserdem entweichen aus dem Gesteinsmehl im Produktionsprozess pro Tonne Zement rund 390 Kilogramm CO2. Zementkonzerne sind sich ihres Klimaproblems bewusst: Holcim hat seit 1990 den CO2-Ausstoss in der Schweiz um 30 Prozent reduziert. Dies über Effizienzmassnahmen und alternative Brenn- und Rohstoffe. «Somit haben wir überdurchschnittlich zur CO2-Reduktion in der Schweiz beigetragen», sagt Lafarge-Holcim-Sprecher Eike Meuter.
Kehrichtverbrennung aus Siedlungsabfällen schenkt ein
Unter den Top-Dreckschleudern auf Schweizer Boden gehören auch etliche Kehrichtverbrennungsanlagen. Fünf Prozent des Ausstosses von Treibhausgasen in der Schweiz gehen auf das Konto von Hagenholz und Co.
Der grösste Schweizer Treibhausgassünder im Ausland ist der Rohstoff- und Handelskonzern Glencore. Er ist das einzige Schweizer Unternehmen unter den weltweit grössten 100 Verschmutzern im KCO2-Report der Organisation Carbon Disclosure Project. An der Spitze befindet sich die saudische Ölfirma Aramco, gefolgt von der russischen Gazprom.
Glencore gibt seine jährlichen CO2-Emissionen mit 33,5 Millionen Tonnen an. Allerdings sind das nur die Emissionen, die Glencore bei Förderung, Produktion und Transport verursacht. Zählt man die indirekten Emissionen von Glencore-Rohstoffen wie Kohle, die später bei Kunden anfallen, hinzu, steigt der Ausstoss um das Achtfache. Der Multi bemüht sich um Reduktionen, indem er etwa in Kohlekraftwerke mit hohem Wirkungsgrad investiert. Von einem Ausstieg bei CO2-intensiven Produkten wie Kohle ist aber keine Rede.
Grossbanken finanzieren CO2-Schleudern
Ein weiterer grosser Klimasünder ist der internationale Energiehandelskonzern Vitol aus Genf. Er ist zu einem Drittel an Varo Refining beteiligt, die die Raffinerie in Cressier NE betreibt. Sie ist gemäss dem Treibhausgas-Inventar des Bundes die fünftgrösste CO2-Verursacherin hierzulande. Über die internationale CO2-Bilanz macht Vitol keine Angaben.
Zum Klimawandel steuert auch der Dienstleistungssektor bei. Die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse finanzieren gemäss einer Greenpeace-Studie mit Milliardenkrediten Unternehmen mit besonders hohem CO2-Ausstoss. Allein zwischen 2015 und 2017 sollen sie Kredite in der Höhe von 12,3 Milliarden Dollar an Unternehmen gesprochen haben, die in den Bereichen Kohle sowie Öl aus Teersand, der Arktis und der Tiefsee tätig sind. Sie verursachten gemäss der Umweltorganisation einen Ausstoss von 182,9 Millionen Tonnen CO2, der ohne die Kredite nicht möglich gewesen wäre.
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So verändert der Klimawandel unser Land
Weil der Klimawandel ihre Existenzgrundlage gefährdet, mussten Schweizer Betriebe ihre Geschäftsstrategie in den letzten Jahren komplett umkrempeln. Trotzdem bleiben Bergbahnen, Bauernhöfe und energieintensive Industriebetriebe weiter bedroht.
Wer im Schweizer Tourismus arbeitet, spürt die existenziellen Risiken des Klimawandels heute schon direkt. Die Zahl der Tage, an denen Schnee liegt, nahm in den letzten vierzig Jahren stetig ab. Im Vergleich zu 1970 fängt die Schneesaison heute zwölf Tage später an und hört 25 Tage früher auf. Bei einem Temperaturanstieg um 2 Grad ist mit einem Rückgang der Anzahl schneesicherer Skigebiete um einen Fünftel zu rechnen.
Die Skigebiete müssen reagieren. Sie bauen ihr Angebot im Sommer aus. Und reduzieren so die Abhängigkeit vom Schnee. So gehören Downhill-Bike-Trails auf grünen Skipistenhängen inzwischen zum Standardangebot. Um sich auf den Klimawandel einzustellen, empfiehlt der Bund, Schneeanlagen nur noch ab über 1800 Metern über Meer auszubauen.
Transport als Problemkind
Der Tourismus ist aber nicht nur ein zentraler Betroffener des Klimawandels, sondern auch ein wichtiger Verursacher. Die Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus kann aber nicht sagen, wie viel CO2-Emissionen Tourismusbetriebe verursachen. Das Treibhausgas-Inventar des Bundes erfasst die Tourismus-Emissionen in den Sektoren Dienstleistungen und Verkehr.
Der Sektor Verkehr ist der grösste Klima-Übeltäter – und er verschlimmert sich stetig: Lag der Verkehrsanteil 1990 noch bei 27,7 Prozent der Gesamtemissionen, waren es 2015 bereits 32,1 Prozent. Der Aufruf der Touristiker, von der Strasse auf die Schiene zu wechseln, ist sinnvoll. Allein die SBB entlasten mit ihrem Personentransport die Emissionsbilanz der Schweiz um 4,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Zum Vergleich: Die Schweiz verursachte 2016 insgesamt 48,3 Millionen Tonnen CO2.
Ebenfalls Opfer und Täterin des Klimawandels ist die Landwirtschaft: Der letzte Sommer gab einen Vorgeschmack auf künftige Sommer mit steigenden Temperaturen und sinkenden Grundwasserspiegeln. Getreide-, Futtermittel-, Obst- und Gemüseproduzenten erlitten Ernteausfälle, die Konsumentenpreise stiegen. Für Nutztiere musste mit Helikopter Trinkwasser angeflogen werden.
So sehr die Bauern unter der Dürre leiden, so stark tragen sie zum CO2-Ausstoss bei. Die Landwirtschaft ist für 13,5 Prozent der klimaschädlichen Gase verantwortlich. Über die Hälfte stammt aus dem Methan der Kuhmägen. Bei solchen komplexen biologischen Prozessen gibt es laut dem Schweizerischen Bauernverband nur begrenzt Reduktionspotenzial. Nur ein kleiner Teil stamme von Traktoren.
CO2-Schleudern nicht mehr gefragt
Zwar zählt die Industrie zu den energieintensiven Sektoren. Aber sie verbucht die grössten Fortschritte bei der Reduktion. Sie verursachte 2015 noch 20,3 Prozent der hiesigen Treibhausgas-Emissionen, verglichen mit 21,6 Prozent fünfzehn Jahre zuvor. Allein die 1100 Firmen des Maschinen-, Metall- und Elektro-Industrieverbands Swissmem haben ihren CO2-Ausstoss in der Schweiz von 1990 bis 2018 um 59 Prozent reduziert. Allerdings exportiert die MEM-Industrie mit dem Outsourcing auch immer mehr Emissionen. Zwischen 2008 bis 2011 verdoppelte sich der Ausstoss bei ausländischen Zulieferern.
Die Industrie leistet aber einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion bei Dritten. MEM-Produkte lösen während des Gebrauchs meist mehr Emissionen aus, als sie für die Herstellung benötigten. Maschinen, die möglichst wenig Energie brauchen, helfen dem Klima am meisten. Bei Werkzeugmaschinen konnten gemäss Swissmem 22 Prozent eingespart werden.
CO2 lässt Tomaten und Gurken spriessen
Findige Schweizer Unternehmen machen international Schlagzeilen mit kreativen Methoden, um Treibhausgase zu reduzieren. Geniale freiwillige Einzellösungen reichen aber laut ETH-Forscher Reto Knutti nicht, um die Klimakrise zu stoppen.
Der «Klima-Staubsauger» des Zürcher Start-ups Climeworks ist spätestens seit einem Bericht in der «New York Times» vor ein paar Wochen international bekannt. Auf dem Dach der Kehrichtverbrennungsanlage Kezo in Hinwil ZH saugen Düsen die Luft an.
Betrieben wird die weltweit erste kommerziell genutzte Filteranlage mit CO2 aus der Luft durch Abwärme aus der Verbrennungsanlage. Ein Teil des gefilterten Gases gelangt über eine Leitung in ein nahe gelegenes Gewächshaus, wo es Tomaten und Gurken düngt.
So banal es scheint: Emissionsreduktionen wie diese sind ein wichtiger Beitrag gegen die Klimaerwärmung. Gefragt nach den Hauptbaustellen für weniger CO2-Emissionen, hebt der renommierte ETH-Forscher Reto Knutti (46) hervor: «Ein grosser Teil der Nahrungsmittel wird nicht nachhaltig produziert und kommt von weit her.» Die von Climeworks gedüngten Tomaten und Gurken schneiden punkto Transport- und Düng-Emissionen gut ab.
Sisyphus-Arbeit statt Patentlösungen
Laut Knutti kann zwar der Konsument bewusster einkaufen und weniger wegwerfen. «Doch viele dieser Probleme werden wir nicht lösen, indem man nur dem Konsument sagt, er solle etwas Gutes tun», betont er. Es brauche Anreize oder Lenkungsmassnahmen. Probleme wie Abfall und Wasserqualität habe man auch nicht durch freien Markt gelöst, sondern durch verbindliche Richtlinien für alle.
Statt grossen Rezepten braucht es laut Knutti viele Initiativen für mehr Nachhaltigkeit. Die ETH selber demonstriert dies mit einem eigenen Erdsondennetz, Projekten zur CO2-Reduktion in der Verpflegung und bei Flugreisen, Minergie-Gebäuden, Elektro-Mietfahrzeugen und vielem mehr.
Bei der Sisyphus-Arbeit für weniger Emissionen fallen Schweizer Unternehmen international mit genialen Ideen auf. Etwa die Messer Schweiz AG aus Lenzburg AG, die bekannt ist für Industrie- und Lebensmittelgase und als weltweit grösster CO2-Recycler gilt.
Hierzulande betreibt das Unternehmen in Sulgen TG beim Babynahrungsmittelhersteller Hochdorf neuerdings die erste wirtschaftliche CO2-Recycling-Anlage der Schweiz. Die Emissionen, die bei der Produktion der Milchprodukte entstehen, werden von der Anlage eingefangen. Ein Grossteil des Gases verwendet Hochdorf wieder – für das Verpacken und Kühlen der Produkte.
«In der Schweiz haben wir kein natürliches CO2, weshalb wir das Gas mit Tankwagen über manchmal Tausende Kilometer importieren müssen», sagt der Chef der Messer Schweiz AG, Hans Michael Kellner. Die Anlage arbeite wirtschaftlich, und Hochdorf sei nun CO2-Selbstversorger. «Allein mit der Rückgewinnung des unvermeidlichen CO2-Ausstosses von Kehrichtverbrennungsanlagen könnte die Schweiz mehrmals versorgt werden», sagt Kellner.
Swisscom übertrifft alle
Das Einfangen von CO2 gilt seit Jahrzehnten als Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Allen voran die Ölkonzerne Shell, Exxon Mobil und BP investieren Millionen in Lager für CO2-Gase. Allerdings ist die Technik teuer und mit vielen Einsprachen konfrontiert. Unter Wissenschaftlern ist umstritten, ob das Einfangen von CO2 überhaupt sinnvoll ist. Gemäss Forschern der US-Eliteuni MIT lässt sich damit nur bis zwei Prozent der globalen Emissionen einfangen. Viel effizienter wäre es, weniger zu emittieren.
Das versuchen Schweizer Unternehmen mit Effizienzmassnahmen und alternativen Energien. So haben rund 3800 in der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) zusammengeschlossene Unternehmen, die die Hälfte der CO2-Emissionen der Industrie- und Dienstleistungssektor verantworten, seit 2001 rund 30 Prozent ihrer Emissionen reduziert.
Zu glauben, Schweizer Firmen seien überdurchschnittlich engagiert, wäre aber ein Trugschluss. Die Unternehmen in Europa investieren laut Greenpeace Schweiz 2,5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung in den Umweltschutz, in der Schweiz sind es nur 1 Prozent.
Champion bei der Freiwilligkeit ist Swisscom. Es ist das erste Unternehmen, das bei den Kunden mehr reduzieren will, als es selber emittiert. Konkret will Swisscom bei den Kunden bis 2020 doppelt so viel CO2 einsparen, wie sie in ihrem Betrieb und in ihrer Lieferkette verursacht, etwa mit ortsunabhängigem Arbeiten. Ein simples Mittel mit grossem Potenzial.