Nachtzüge erleben seit den Klimastreiks einen Boom. Nur die SBB stehen abseits. Sie trennten sich 2009 mangels Profit von ihren Nachtzügen. BLICK weiss: Der Bahn gelang es nun, genügend Schlafwagen zu sichern – für ein Comeback im Nachtzugverkehr nächstes Jahr.
Nachtzüge stehen als Alternative zu CO2-lastigen Billigflügen hoch im Kurs. Doch die SBB haben für Reisende aus der Schweiz kein eigenes Angebot, sondern verkaufen lediglich Tickets der österreichischen ÖBB Nightjet. Deshalb prüfen sie seit letztem Jahr die Wiedereinführung eigener Nachtzugverbindungen. Allerdings ist das Angebot an Schlaf- und Liegewagen europaweit knapp. Die Nachfrage ist durch den Greta-Effekt sprunghaft gestiegen.
Doch BLICK-Recherchen zeigen nun: Das Comeback der SBB-Nachtzüge steht bereits Ende 2021 an. Reisende aus der Schweiz können also wieder davon träumen, über Nacht und ökologisch im Zug nach Italien und Spanien zu fahren. Die SBB wollen im Herbst 2020 über die konkreten, schrittweisen Ausbaupläne im Nachtverkehr informieren, wie ihr Sprecher Raffael Hirt dem BLICK sagt.
Renaissance des Nachtzugs
Die SBB haben per Ende nächsten Jahres mit dem privaten deutschen Eisenbahnanbieter RDC Asset einen Mietvertrag für Schlaf- und Liegewagen inklusive Instandhaltung für mindestens vier Jahre abgeschlossen. Das Unternehmen ist auf Fahrzeugvermietung spezialisiert und besitzt die grösste einsatzfähige Nachtzugflotte Deutschlands.
Eine weitere gute Nachricht: Bahnpassagiere, die sich ans Schwitzen in überhitzten Nachtzügen von früher erinnern, können aufatmen. Die Nachtzüge von RDC sind klimatisiert – das war eine der Bedingungen der SBB für den Zuschlag, wie aus einer Meldung der Beschaffungsplattform Simap.ch vom Samstag hervorgeht.
SBB rechnen mit Geldern aus Klimafonds
Die SBB haben ihr Nachtzugangebot im Jahr 2009 eingestellt, weil es nie rentabel betrieben werden konnte. Daran hat sich nichts geändert, Klimajugend hin oder her. «Ein wirtschaftlicher Betrieb von Nachtverkehren ist ohne zusätzliche Fördermittel nicht möglich», bestätigt SBB-Sprecher Hirt.
Für die Nachtzug-Renaissance setzen die SBB auf die Politik respektive auf das revidierte CO2-Gesetz. Dieses sieht Klimafonds-Gelder für die Förderung grenzüberschreitender Zugreisen vor, inklusive Nachtzüge als Alternative zu Flugreisen. Die Subventionierung der Nachtzüge scheint mehrheitsfähig. Der Nationalrat hat die Totalrevision der CO2-Gesetzgebung in der Sommersession angenommen. Im Herbst steht die Beratung im Ständerat an.
Lange Vorlaufzeit
Wieso haben sich die SBB die Nachtzüge schon vor dem definitiven Entscheid gesichert? «Angesichts der sehr langen Vorlauffristen für die Einführung neuer Nachtverkehre haben die SBB entschieden, bereits jetzt zu handeln und sich entsprechendes Rollmaterial für eine Inbetriebnahme neuer Nachtverkehrsverbindungen zu sichern», erklärt Hirt. Über Kosten und Destinationen macht er keine Angaben.
Die Bahn hat die Klimawirkung der Nachtzüge durch die Verlagerung von Reisen von Flugzeug, Auto oder Bus auf den Zug berechnet: Der heute bestehende Nachtzugverkehr ab der Schweiz bringt laut Hirt jährlich eine Einsparung von rund 50’000 Tonnen CO2 – so viel wie 30’000 Autos im Jahr ausstossen.
Angesichts des europaweiten Runs auf Nachtzüge haben die SBB mit dem Mietdeal ein goldenes Los gezogen. Die Beschaffung neuer Nachtzüge, wie sie die ÖBB bei Siemens tätigen, würde nämlich mindestens vier Jahre dauern.