Über vier Generationen sassen die Patrons beim Luzerner Backwaren-Unternehmen Hug am Ruder. Mit Anna Hug kommt nun die fünfte Generation im Familienbetrieb zum Zug. Sie führt die Co-Leitung ein, damit sie Teilzeit arbeiten kann.
Mit Anna Hug (47) hat seit Anfang Jahr bereits die fünfte Generation das Sagen im Luzerner Familienunternehmen Hug Backwaren. Speziell bei diesem Generationenwechsel ist nicht nur, dass sie die erste Frau an der operativen Spitze ist. Mit ihr hält auch ein neues Führungsmodell Einzug im über 140-jährigen Betrieb – die Co-Leitung.
«Ich wollte schon immer in die Führung eintreten, aber gleichzeitig Teilzeit arbeiten», sagt die Mutter eines Primarschulkindes. Einerseits erlaubt ihr die Co-Führung ein 60-Prozent-Pensum. Andererseits kann ihr Co-Chef und Onkel Andreas Hug (60) etwas kürzertreten.
Viel Anlass zur Diskussion
Der langjährige Solo-Chef Andreas arbeitet nun nur noch 80 Prozent. Für die Vertreterin der fünften Generation ist die Aufteilung flexibel. «Wahrscheinlich werde ich später in einem höheren Pensum arbeiten, mein Onkel eher zurückschrauben», sagt sie dem BLICK.
Anna Hug ist seit zehn Jahren im Betrieb und befindet sich jetzt plötzlich auf gleicher Ebene wie ihr Onkel. Doch sie wusste, worauf sie sich einliess. Den Onkel kenne sie gut. Sie hätten ähnliche Grundwerte. «Diskutieren müssen wir trotzdem viel mehr», sagt sie.
Sie hätten eine klare Aufgabenteilung, und die über 400 Mitarbeiter wüssten, wer für welche Themen die Ansprechperson sei. «Mein Ziel ist es, das Unternehmen einmal der sechsten Generation zu übergeben», betont sie. Ihr Vater und Bruder von Andreas, Werner Hug (75), bleibt Präsident.
Gut für Chefinnen mit Familien
Co-Leitungen seien im Trend, sagt die Geschäftsleiterin des Vereins Part-Time-Optimierung, Irenka Krone (50). Führungspositionen mit Teilzeitpensum zwischen 50 und 80 Prozent eigneten sich sehr für bestimmte Lebensphasen.
Besonders Frauen und immer mehr junge Männer suchten in der entscheidenden Karrierephase zwischen 30 und 40 Jahren wegen der Familie eine Teilzeitfunktion. «Mit dem Job-Sharing in der Führung können Karriereknicks von gut ausgebildeten Führungsfrauen verhindert werden», sagt Krone.
Die Co-Führung bewährt sich etwa bei der Rösterei Rast in Ebikon LU. Seit drei Jahren leiten die Töchter Evelyne (39) und Beatrice Rast (36) das Familienunternehmen in vierter Generation.
Verantwortung teilen ist heikel
Das Duo an der Spitze kennt sich wie bei Hug sehr gut. Das ist laut Expertin Krone ideal. Das Leitungsduo sollte sich zudem selber gesucht haben und nicht von aussen zusammengesetzt werden.
Skeptischer ist Kadervermittler Werner Raschle (55). Wenn das Chef-Duo die Firma auch besitze und damit das Machtgerangel sekundär sei, dann mache das Sinn. Aber sonst sei geteilte Führungsverantwortung eine Bürde. «Wenn jemand Verantwortung lieber teilt, als sie alleine zu tragen, sollte er besser nicht führen», sagt Raschle.
Teilzeit- und Co-Chefs
Geteilte Leitung: Die Co-Führung, die Teilzeit erlaubt, ist sehr attraktiv für Chefs von kleineren und mittleren Familien-Unternehmen. Dagegen arbeiten Co-Chefs in Grosskonzernen meistens 100 Prozent. Prominentes Beispiel: das Duo Iqbal Khan (43) und Tom Naratil (59) bei der UBS-Vermögensverwaltung.
Irenka Krone (50), Geschäftsleiterin des Vereins Part-Time-Optimierung, sagt zum Vorteil der Vollzeit-Co-Führung: «Diese Co-Leiter sind mit der Macht und den Entscheiden nicht einsam und können sich auf Augenhöhe austauschen.»
Laut der Expertin sollte sich das Leitungsduo selber gesucht haben und nicht von Aussen zusammengesetzt werden. Das sei eine der wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche Co-Leitung. Der Verein Part-Time-Optimierung hat ein Programm entwickelt, wo Job-Sharing-Interessenten über einen Algorithmus einen passenden Partner suchen können.
Personalexperte Werner Raschle (55) ergänzt punkto Co-Führungen auf oberster Chefetage: «Bei solch relevanten Positionen geht es auch darum, das Risiko von Fehlentscheiden zu begrenzen und Einzelne nicht zu mächtig werden zu lassen.»