Die Euphorie um die Technologieaktien ist jäh verflogen. Nach hohen Verlusten verlangen nun immer mehr Schweizer Anleger Schadenersatz.
Claudia Laubscher
Peter Müller* hat 50 000 Franken mit Miracle-Aktien verloren. Nun fühlt er sich von der Firma, aber auch von den Banken getäuscht. Seiner Ansicht nach wurden die Aktien des Software-Unternehmens mit zu viel Pomp an den Swiss New Market gebracht. Und die für die Kotierung verantwortliche Credit Suisse First Boston (CSFB) empfahl die Aktien auch nach dem ersten Kurseinbruch im März weiter zum Kauf. Mit einer Finanzspritze für Miracle weckte sie dann bei den Anlegern im August neue Hoffnungen. Daher sah Peter Müller selbst zwei Monate vor dem Konkurs der Software-Firma keinen Anlass zum Verkauf der Aktien, denn Miracle versprach noch immer ein ausgeglichenes Betriebsergebnis für das kommende Jahr.
Nach dem Aus wollte der Kleinanleger seinen Totalverlust nicht einfach schlucken und legte seinen Fall dem Bankenombudsmann und der Schutzgemeinschaft der Investoren Schweiz (SIS) dar. Gemäss Georg Oetterli von der Bankenombudsstelle hat es seit dem Absturz der Miracle-Aktien weit mehr Anfragen als üblich gegeben. „Wir wollen den Leuten aber keine falschen Hoffnungen machen“, betont er. Die Ombudsstelle empfiehlt Anlegern, ihre Vorwürfe schriftlich zu formulieren und die Banken damit zu konfrontieren. Die Ombudsstelle kann dann zwischen den Parteien vermitteln und zu Kompensationen verhelfen – sie verfügt aber über keine rechtlichen Sanktionsmittel.
Der Ombudsmann-Vertreter verweist auch auf die Möglichkeit, dass Kleinanleger mit einer Art Sammelklage den Rechtsweg beschreiten können. Hand dazu bietet die SIS, die sich als Pool für Aktiengeschädigte versteht. Laut Geschäftsführer Johann-Christoph Rudin haben sich seit den jüngsten Kursstürzen vermehrt Anleger nach Möglichkeiten erkundigt, um ihr Geld zurückzubekommen. Bis anhin hätten sich Schweizer Aktionäre – ganz anders als in den USA – obrigkeitsgläubig verhalten und die Faust im leeren Sack gemacht.
Für Anleger, die sich zusammentun, sieht Rudin durchaus Chancen auf Schadenersatz. Mit weniger als fünfzig Interessenten würde der SIS aber keine Klage erwägen, allein eine fundierte Analyse der Sachlage koste einen fünfstelligen Betrag. Für Aktionäre, die Aktien bei einer Erstausgabe gezeichnet haben, sieht er zwei Wege der Schadenersatzforderungen: Die Prospekthaftung beruht laut dem auf Börsenfragen spezialisierten Zürcher Anwalt Manfred Küng auf dem Obligationenrecht über falsche oder irreführende Firmenangaben im Emissionsprospekt. Zudem können Anleger auch Verantwortlichkeitsansprüche gegen das Unternehmen geltend machen, wenn dieses falsche Aussagen in der Öffentlichkeit gemacht hat. Das Management haftet auch, wenn es relevante Informationen nicht beizeiten bekannt gibt.
Weiter ergeben sich Klagemöglichkeiten gegen fehlbare Anlageberater aus dem Börsengesetz. Danach sind diese verpflichtet, über die Risiken eines Titels zu informieren, und zwar unter Berücksichtigung der Geschäftserfahrenheit und der fachlichen Kenntnisse des Kunden.
Ob die erwähnten Vergehen im Zusammenhang mit den Firmen der New Economy vor Gericht anfechtbar sind, hängt nicht zuletzt von der Solidarität unter den Investoren ab. Mit seiner Schadenersatzforderung dürfte Kleinanleger Müller zumindest bei Miracle keinen Erfolg haben, denn bei der Software-Gesellschaft gibts nichts mehr zu holen.
* Name geändert
Schutzgemeinschaft der Investoren
Schweiz (SIS), Tel.: (01) 387 98 60
Schweizerischer Bankenombudsman,
Tel.: (01) 213 14 50