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600 Fr weniger Lohn – weil sie eine Frau ist

Frauendiskriminierung beim Lohn – same shit, different century cg

Lohngleichheit ist eine der wichtigsten Forderungen des Frauenstreiks. Doch Frauen, die gegen Lohndiskriminierung vorgehen, haben schlechte Karten. Sprechen sie darüber, riskieren sie ihren Job. BLICK hat eine mutige junge Angestellte getroffen, die sich wehrt.

Eigentlich war Martina R.* mit der Arbeit in einem Pflegeheim bei Olten SO zufrieden. Die Quereinsteigerin mit Lehrabschluss als Floristin machte zuerst ein Praktikum und erhielt dann eine Festanstellung. Die 32-Jährige erzählt BLICK, wie sie gerne mit Menschen arbeitet. Und wie sie eines Tages aus den Wolken fiel.

Das geschah, als sie sich mit Mitarbeiter Roland A.* über den Lohn austauschte. Er begann ein Jahr nach ihr ebenfalls als Praktikant zu arbeiten und wurde darauf fest eingestellt. Trotz identischen Aufgaben und gleicher Verantwortung verdiente der Mann in der Festanstellung von Anfang an 600 Franken mehr pro Monat . «Es ärgert mich, dass es für die gleiche Arbeit für Männer und Frauen nicht denselben Lohn gibt», sagt Martina R.

Der Mitarbeiter zeigte sich entsetzt

Dass Lohndiskriminierung oft vorkommt, zeigen nicht nur die Zahlenerhebungen des Bundes. Auf der Seite wirfrauen2019.ch der Gewerkschaft Unia berichten etliche Frauen, dass sie weniger verdienen als gleich oder schlechter qualifizierte Männer. Wehren sie sich, sagen die Vorgesetzten oft, dass sie mit anderen Mitarbeitern nicht über den Lohn zu reden hätten.

Martina R. foutiert sich um das Lohntabu. Sie will sich aber in der Öffentlichkeit nicht outen, denn sie hat Angst, sonst ihren Job im Pflegeheim zu verlieren. «Im Gespräch zeigte sich der Mitarbeiter entsetzt darüber, dass ich so viel weniger verdiene», führt R. aus. Sie betont, dass sie ein gewisses Verständnis dafür habe, dass er von sich aus die Vorgesetzten nicht auf die Lohndiskrepanz ansprach. «Sonst hätte er eine Lohnreduktion riskiert», meint sie. Dass der vermeintlich soziale Arbeitgeber auf dem Buckel beider spart, will sie auf keinen Fall. Sie liess sich dann von der Unia beraten, die Einblick in die Löhne des Heims hatte.

Vorgesetzte ignoriert ihre Frage

Als Martina R. letzten Herbst berufsbegleitend eine höhere Fachausbildung startete, erhielt sie zwar eine Lohnerhöhung von 300 Franken. Neu verdient sie 5000 Franken brutto pro Monat. «Doch das sind immer noch 300 Franken weniger, als mein Kollege erhält, der sich nicht für eine Ausbildung interessiert», sagt sie empört.

Deshalb platzierte Martina R. die Lohndiskriminierung im März diplomatisch im Mitarbeitergespräch mit der Vorgesetzten. «Ich fragte sie, ob es einen männlichen Mitarbeiter gebe mit denselben Voraussetzungen und Aufgaben, der mehr verdiene.» Eine Antwort habe sie noch nicht erhalten. Ihr Plan ist, den Geschäftsleiter nun direkt zu konfrontieren und zuerst zu fragen, ob er von ihrer Frage gehört habe. Die junge Frau ist entschlossen, für ihre Gleichstellung beim Lohn zu kämpfen. Sie will auch am Frauenstreik teilnehmen.

* Name geändert

Tipps bei Lohndiskriminierung

Für eine Frau, die sich beim Lohn gegenüber Männern diskriminiert sieht, zählt Folgendes: Das Gleichstellungsgesetz verlangt, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht gleich entlöhnt wird. Zwei Funktionen sind dann gleichwertig, wenn die Tätigkeiten, die Anforderungen und der Verantwortungsgrad vergleichbar sind. Der Begriff der Gleichwertigkeit deckt nicht nur ähnliche Funktionen, sondern auch unterschiedliche Berufe ab.

Eine gute Anlaufstelle für die Beratung bei Lohndiskriminierung sind die Gleichstellungsbüros der Kantone und Städte. Bei einer Klage wegen Lohndiskriminierung liegt die Beweislast beim Arbeitgeber. Damit er einen Lohnunterschied rechtfertigen kann, muss er beweisen, dass er ein objektives Ziel verfolgt, welches einem echten unternehmerischen Bedürfnis entspricht. Zudem muss die diskriminierende Massnahme, die ergriffen wurde, angemessen sein. Gerechtfertigt sind in der Regel Lohnunterschiede, die auf objektiven Gründen beruhen. Sie müssen den Wert der Arbeit zum Beispiel durch Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung oder Leistung beeinflussen können.

Damit Frauen eine Lohndiskriminierung verhindern können, empfiehlt Headhunter Werner Raschle, Chef von Consult & Pepper AG, Frauen beim Bewerbungsgespräch folgendes Statement: «Ich gehe davon aus, dass ich gut bezahlt werde und dass ich nicht in sechs Monaten herausfinde, dass ein Kollege mehr kriegt für dieselbe Arbeit.» Das setze Arbeitgeber automatisch unter Druck.


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