Handelszeitung,

«Taten statt Worte sind jetzt angesagt»

Siemens-Hauptsitz in München. Foto: Florian Adler

Barbara Kux – Die Schweizerin Barbara Kux gilt als mächtigste Wirtschaftsfrau Europas. Die erste Frau im Siemens-Vorstand über ihre ersten Erfolge als Chefeinkäuferin, den wachsenden Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit in der Businesswelt und Wege für Frauen an die Spitze.

Interview: Claudia Gnehm

Wie teilen Sie sich Ihre Arbeitszeit als Chief Procurement Officer und Chief Sustainability Officer auf?

Barbara Kux: Zeitlich ist das schwierig zu trennen, weil es auch Überlappungen gibt.

Wo stehen Sie mit dem Ziel, Ihre 100000 Lieferanten um 20% zu kürzen?

Kux: Wir sind auf Kurs. Wir haben im Januar unsere Supply-Chain-Management- Initiative gestartet. Insgesamt sind 4000 Mitarbeiter dabei, die Lieferantennetzwerke zu optimieren. Wir haben bereits über 1500 Massnahmen erarbeitet, die Siemens schneller, besser und kosten-günstiger machen. Bei einer Massnahme davon geht es darum, die 370000 Lieferantenkonten stärker zu bündeln und zusammenzuführen.

Das Einkaufsvolumen beträgt 40 Mrd Euro. Wie viel Einsparpotenzial sehen Sie?

Kux: Wir wollen das nicht offenlegen, weil es ein Wettbewerbsvorteil ist, mit dieser Zahl nur intern zu agieren. Das gebündelte Volumen soll um 60% steigen. Gleichzeitig wollen wir unsere Beschaffung in den neuen Märkten von 20 auf 25% erhöhen. Dabei geht es unter anderem auch darum, vor Ort einzukaufen und Währungsrisiken zu vermindern.

Was haben Schweizer Siemens- Lieferanten zu erwarten oder zu befürchten?

Kux: Wettbewerbsfähige Lieferanten haben Wachstumschancen mit uns. Dabei sind Qualität, Liefertreue und Kosten sehr wichtige Kriterien. Wenn die Schweizer Lieferanten diese Qualifikation erfüllen, müssen sie nichts befürchten.

Wie stark sind Sie beim Einkauf von Protektionismus betroffen?

Kux: Wir sind ein globales Unternehmen, das lokal gut aufgestellt ist. In China haben wir weit über 40000 Mitarbeiter und über 70000 in Amerika. In der Schweiz sind es gut 6000. Letztendlich geht es darum, schneller, besser und kostengünstiger zu sein im Einkauf, unabhängig vom Standort.

Können Sie die Lieferanten bis aufs Letzte kontrollieren – gibt es die komplette Rückverfolgbarkeit?

Kux: Nein, von der kompletten Rückverfolgbarkeit sind wir noch ein Stück weit entfernt. Wir sind sehr vorsichtig bei der Auswahl und der Zertifizierung der Lieferanten. Diese müssen zudem einem klaren Code of Conduct folgen.

Im Bereich Sustainability haben Sie auch ganz klare Vorgaben.

Kux: Ja, Peter Löscher, unser CEO, hat sehr klare Ziele definiert. Der Umsatz mit unserem Umweltportfolio soll von heute 19 Mrd Euro auf 25 Mrd Euro bis 2011 steigen. Dabei wurden unsere «grünen Geschäfte» sehr eng definiert. Unser Umweltportfolio umfasst erstens technische Lösungen der erneuerbaren Energie wie Wind, zweitens energieeffiziente Produkte, beispielsweise jene unserer Sparte Building Technologies in Zug, und drittens neue Umwelttechnologien wie zum Beispiel die Wasseraufbereitung. Im vergangenen Jahr haben wir knapp 4 Mrd Euro in die Forschung und Entwicklung gesteckt – etwa 1 Mrd davon in die Erforschung von grünen Technologien. Hier halten wir jetzt schon 14000 Patente. Innovation war und ist das Lebenselexier von Siemens.

Aber bei der Nachhaltigkeit geht es nicht nur darum.

Kux: Nein. Das zweite grosse Ziel, das wir verfolgen, ist eine CO2-Reduktion um 20% bei Siemens, um die interne CO2-Bilanz zu verbessern. Wir wollen nun die 90 Werke mit dem höchsten Energieverbrauch einem Energiecheck unterziehen und mit unseren Technologien eine Reduktion des Energieverbrauchs von 10% und mehr erzielen. Das ist zum einen gut für die CO2-Bilanz, zum anderen aber auch in puncto Kostensenkungen. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: In Deutschland könnte man mit dem Austausch aller Glühlampen in Ampeln durch LED-Technik 170 Mio Euro pro Jahr sparen. Und umweltfreundlicher wäre es auch.

Doch sind solche Investitionen wirklich durchsetzbar?

Kux: Ich denke, die Zeit ist reif dafür, weil man mit weniger mehr machen muss. Es geht nicht nur um die Kosten, sondern auch um die Reduktion von CO2.

Dann müssen Sie hohe Erwartungen an die Klimakonferenz in Kopenhagen von Ende Jahr haben?

Kux: Ja, ich bin da nicht die Einzige, die Fortschritte bei den CO2-Reduktionszielen erwartet. Die Konferenz ist entscheidend für die internationale Entwicklung.

Da die Unternehmen und Institutionen mehrheitlich nur dann in neue Umwelttechnologien investieren, wenn sie dazu gezwungen werden, ist der Markterfolg Ihrer Umweltprodukte abhängig von der Politik.

Kux: Die Politik ist eine wichtige Grundlage zur Verbesserung. Die Technologien sind vorhanden, jetzt geht es um die Lösung. Taten statt Worte sind jetzt angesagt.

Sie haben sich bereits vor dem Klimagipfel in Rio 1991 mit der Thematik befasst, damals hatte es aber auch schon geheissen, dass es jetzt ums Umsetzen gehe.

Kux: Das schon, aber seither hat sich sehr viel geändert. Der Stellenwert der Nachhaltigkeit ist heute in der Geschäftswelt und in der Bevölkerung voll anerkannt. Früher war das eher eine Spezialistendiskussion. Heute ist das Thema allgemein im Bewusstsein angelangt. Jetzt geht es um die Umsetzung.

Trotzdem lohnt es sich, noch ein paar Jahre zuzuwarten mit Investieren, weil die Lösungen noch deutlich effizienter werden könnten.

Kux: Die heutigen Technologien bringen mit Optimierungen von bis zu 30% bereits eine gute Leistung. Natürlich werden sich diese Technologien weiterentwickeln. Aber das heutige Angebot lässt sich sehen. Diejenigen, die in einem jungen Markt früh dabei sind, können ihre Marktposition zudem entsprechend ausbauen.

Wie steht es um die Energieeffizienz des Managements und die Prämien, die Sie seit Anfang Jahr für ökologisches Verkehrsverhalten verteilen?

Kux: Unsere Dienstflotte ist deutlich CO2-ärmer. Bei den Neuwagen konnten wir im Schnitt eine Reduktion von 190 auf 170 g CO2-Ausstoss pro Kilometer erreichen. Wer einen CO2-ärmeren Dienstwagen wählt oder den öffentlichen Verkehr oder das Velo benutzt, erhält einen Ausgleich von 650 Euro pro Monat.

Wieso berichtet Siemens nicht nach dem höchsten Nachhaltigkeitsstandard, der Global-Reporting-Initiative?

Kux: Wir überlegen uns das für den nächsten Bericht. Allerdings müssen wir auch an die Vergleichbarkeit denken, wenn wir die Berichterstattung ändern.

Sie kennen den State of the art in der Nachhaltigkeitsbewegung von Firmen. Würden Sie die Schweizer Konzerne hier als fortschrittlich bezeichnen?

Kux: Das Thema Nachhaltigkeit ist auch von der Schweizer Wirtschaft mitgeprägt worden. Der Rio-Summit 1991 wurde unter anderem von Schweizern initiiert. Es gibt viele Nachhaltigkeitsorganisationen wie etwa SAM und den World Business Council for Sustainable Development, welche von der Schweiz aus operieren. Ich halte das für ein internationales Thema, wir leben alle auf derselben Erde.

Zur Nachhaltigkeit zählen auch Diversity und das Thema Frauen im Management. Merken Sie nach all den Jahren als Ausnahme-Top-Managerin einen Unterschied bei der Behandlung dieses Themas?

Kux: Es ist heute kein Nachteil mehr, eine Frau zu sein. Aber am Ende zählt die Leistung.

Ist der Zusammenhang zwischen Diversität und Erfolg in den Führungsetagen inzwischen breiter bekannt? Schliesslich gibt es ja Studien, die eine direkte Verbindung zwischen Frauenanteil und Aktienperformance herstellen.

Kux: Ich bin absolut überzeugt davon, dass Vielfalt und heterogene Teams die Wettbewerbsposition von Unterneh- men mittelfristig klar stärken. Und da bin ich nicht alleine. In der Zukunft wird Vielfalt eine noch wichtigere Rolle spielen, vor allem um neue Märkte zu erschliessen. Es geht nicht nur um Mann oder Frau, sondern beispielsweise auch um die verschiedenen Nationalitäten und Erfahrungen. Vielfalt bringt Stärke und Wettbewerbsfähigkeit mit sich. Wie weit man das messen kann oder muss, ist weniger wichtig, als dass man sich dafür einsetzt.

Dennoch passiert es nach wie vor nicht automatisch, dass eine Frau in eine Geschäftsleitung aufsteigt.

Kux: Das stimmt. Dennoch gibt es für Frauen Wege nach oben. Für viele Frauen, die es schaffen, waren Netzwerke und Verbindungen ausschlaggebend. Am Ende kommt es auf den persönlichen Einsatz und das Interesse an.

In der Schweiz sitzen Sie im Verwaltungsrat der Riechstofffirma Firmenich sowie im VR von Insead sowie ZF, einem wichtigen deutschen Automobilzulieferer. Sind weitere VR-Mandate von Schweizer Konzernen für Sie ein Thema?

Kux: Mein Fokus ist klar: Ich will meine Ziele bei Siemens erreichen. Ein Aufsichtsratsmandat ist vor allem aus dem Grund interessant, weil es einen Einblick in andere Industrien gibt.

Barbara Kux

Hintergrund

Zur Person

Steckbrief

Name: Barbara Kux

Funktion: Siemens-GL-Mitglied, Leitung Supply Chain und Nachhaltigkeit

Alter: 55

Familie: In Partnerschaft

Ausbildung: MBA Insead

Karriere

1978–1989 Nestlé, McKinsey

1989–1999 ABB-Vizechefin Osteuropa, Länderchefin Nestlé Polen

1999–2003 Ford Sales Director

2003–2008 Philips, Chefin Beschaffung Seit 2008 Siemens-GL-Mitglied

Siemens

160 Jahre alt Der deutsche Technologiekonzern mit Sitz in München erzielte im Geschäftsjahr 2008 mit 427000 Angestellten 77,3 Mrd Euro Umsatz und 5,8 Mrd Euro Gewinn. Die drei wichtigsten Sparten sind Industrie (38 Mrd Euro Umsatz), Energie (22,6 Mrd) und Healthcare (11,2 Mrd). Das Einkaufsvolumen von Siemens beträgt 40 Mrd Euro im Jahr.


Diese Artikel könnten ebenfalls interessant sein:

Die Flüchtlingswelle lässt die Kassen klingeln

SonntagsZeitung

Die private Zürcher Firma ORS betreut 6000 Flüchtlinge pro Tag, neu auch in Deutschland

weiterlesen
cc

Europa-Chef Dan Staner: Moderna kommt mit der Mutanten-Impfung!

SonntagsBlick / Blick

Moderna wartet als erste Firma mit der neuen Generation von Corona-Impfstoffen auf, die spezifisch vor Mutanten schützen. Produziert würden sie auch von Partnerfirmen wie Lonza, sagt Dan Staner, Chef von Moderna Europa. 

weiterlesen