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Neue Barrieren für Biospritfabriken

Entwicklung der Jatropha-Fürchte. Foto: Commons

Agrotreibstoffe – Der Bund will alternative Treibstoffe fördern. Nun könnten neue Zulassungsregeln für das Ökobenzin den Bau zweier spruchreifer Biotreibstofffabriken gefährden.

Claudia Gnehm

Biotreibstoffe fristen in der Schweiz ein Mauerblümchendasein. Deshalb verteilt der Bund in diesem Sommer, zwei Jahre nach Steuerbefreiung, mit der Aufhebung technischer Handelshemmnisse ein weiteres Zückerchen. Doch den zwei Grossinvestoren, welche in Biotreibstoff-Fabriken in Bad Zurzach und Delsberg 80 beziehungsweise 100 Mio Fr. investieren wollen, nützt das vorerst nichts.

Denn das Parlament droht ihnen im Herbst einen Strich durch die Rechnung zu machen – mit einer Verschärfung der Zulassungskriterien für Biotreibstoffe. Eine Mehrheit der Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) der beiden Räte steht hinter dieser Verschärfung.

Die «Plattform Agrotreibstoffe» – eine breite Koalition von Umwelt-, Kirchen- und entwicklungspolitischen Organisationen – hat letzten Monat ausserdem eine Petition lanciert, um Betriebsbewilligungen für Agrotreibstoff-Fabriken zu verhindern, solange die neuen Zulassungskriterien auf Bundesebene nicht in Kraft sind. Somit rückt eine baldige Selbstversorgung der Schweiz mit Biosprit in die Ferne. Trotz zweier spruchreifer Projekte: Die Biodieselanlage von Green Biofuel Switzerland in Bad Zurzach hat bereits eine Baubewilligung, der Baubeginn war auf Sommer geplant. Doch laut Firmensprecher Ulrich Frei ist die politische Entwicklung Gift für die Planungssicherheit. «Der Bundesrat will die Biotreibstoffe fördern, aber die Plattform Agrotreibstoffe wirft uns vor, Armut zu verursachen», kritisiert Frei. Er spricht damit einen zentralen Streitpunkt bei Biotreibstoffen an, nämlich wie der Ökosprit hergestellt wird – aus wertvollen Nahrungsmitteln wie Getreide oder aus Bioabfällen – und unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen die Rohstoffe gewonnen werden. Die Firma, betont Frei, unterstützte die internationale Zertifizierung von Biotreibstoffen. Ihr auf Jatropha-Nüssen basierender Treibstoff soll internationalen Qualitätsanforderungen entsprechen.

Der zweite Anlagenbauer, Greenbioenergy, dürfte die Baubewilligung für die Fabrik in Delsberg bald erhalten. Sie soll Zuckerrohr aus Brasilien zu Ethanol verarbeiten. Die Verantwortlichen zitieren die Studie der Empa zur Ökobilanz von Zuckerrohrethanol, in der dieses im Gegensatz zu Ethanol aus Mais etwa relativ gut abschneidet. Die Gegner der Fabriken allerdings machen geltend, dass Treibstoffe aus brasilianischem Zuckerrohr und mosambikanischer Jatropha die Umwelt und die Ernährungssicherheit der armen Bevölkerung in den betroffenen Ländern gefährden und deshalb nicht zugelassen werden sollen. Sie fordern: «In die Kriterien muss insbesondere die Ernährungssicherung in den Herkunftsländern einbezogen werden.»

Wie das Projekt in Bad Zurzach ist jenes in Delsberg auf die Steuerbefreiung des Bundes für Biotreibstoffe angewiesen. «Die Steuerbefreiung ist nötig, um die Rentabilität des Betriebs sicherzustellen», so Greenbioenergy-Sprecher Jean-François Gnaegi. «Die Investoren sind überzeugt, dass sie Rohstoffe auf dem Markt finden, welche die neuen Zulassungsbedingungen erfüllen, auch wenn sie verschärft werden.» Die Fabrik werde verschiedene Rohstoffe verarbeiten können. Allerdings, räumt Gnaegi ein, seien alternative Rohstoffe noch nicht ausreichend und zu erschwinglichem Preis verfügbar.

Zuckerrohrernte in Brasilien Foto: Mario R. Duran Ortiz

Die Schweiz fördert, EU brems

Staatshilfe

Die Förderung von Agrotreibstoffen mit neuen Handelserleichterungen durch den Bund verläuft konträr zur Entwicklung in der EU. Die EU-Kommission hat vor einigen Wochen mit einer Studie, welche Agrotreibstoffen eine schlechte Nachhaltigkeit bescheinigt, eine Diskussion über die Aufweichung des Ziels von einem Agrotreibstoffanteil von 10% bis 2020 lanciert. Die Förderung in der Schweiz ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es in der Schweiz keine Ethanolfabrik gibt und neben Alcosuisse, dem Profitcenter der Eidgnössischen Alkoholverwaltung (EAV), kein privater Importeur bereit ist, die Marktversorgung zu übernehmen. Seit der Betriebsschliessung der Firma Borregaard Ende 2008 wird in der Schweiz kein Bioethanol mehr produziert. Seit Frühjahr 2009 deckt die Alcosuisse die Nachfrage mit skandinavischem Bioethanol aus Holzabfällen.


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