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Hat der Kahlschlag beim Service public ein Ende?

Die 55-jährige Zürcherin Susanne Ruoff ist Konzernleiterin der Schweizerischen Post. Foto: Sabine Wunderlin

Die erste Frau an der Spitze der Post, Susanne Ruoff, erklärt, warum Preissenkungen nicht drinliegen – und wo der Postautochauffeur die Post austrägt.

Claudia Gnehm (Text), Sabine Wunderlin (Foto)

Frau Ruoff, Sie nutzten bei der Präsentation der Jahresbilanz das erhöhte Rednerpult nicht, obwohl es bereitstand. Wieso?

Susanne Ruoff: Ich wollte im direkten Kontakt mit den Medienschaffenden und ohne Hindernisse die guten Resultate der Post erklären. Da soll keine symbolische Wand sein, die Präsentation war als direkter Austausch gedacht.

Seit der drohenden Enteignung der Bankkunden in Zypern fragen sich viele Schweizer, ob ihr Geld noch sicher ist. Können Sie das bei PostFinance garantieren?

Die Situation in Zypern kann nicht mit der in der Schweiz verglichen werden. Selbstverständlich sind die Gelder bei PostFinance sicher. Dies gilt auch, wenn sie Mitte Jahr in eine AG umgewandelt ist.

Haben Sie Bedenken, das gute Rating zu verlieren, wenn die explizite Staatsgarantie ausläuft?

Über künftige Ratings können wir keine Aussagen machen. Die Ratingagentur wird die gänzliche Abschaffung der Staatsgarantie in fünf Jahren neu beurteilen. Die Staatsgarantie war einer von vielen Treibern für das Rating. Weiter hatten Einlegerschutz, Grundversorgungsauftrag im Zahlungsverkehr und die Besitzverhältnisse einen positiven Einfluss auf das Rating.

Ab 2014 erwarten Sie Gewinnabnahmen. Warum so pessimistisch?

Wir haben realistische Prognosen. Ich will niemanden im Glauben lassen, die Gewinne stiegen in den Himmel. Tatsache ist, dass die Sendungsvolumen weiterhin zurückgehen werden und die Konkurrenzsituation sich weiter verschärfen wird. Dies wird die künftigen Gewinne drücken.

In drei Jahren kommt die Aufhebung des Restmonopols im Briefbereich wieder auf den Tisch. Brauchen Sie das Monopol unter 50 Gramm noch?

Die Politik muss das entscheiden. Ob mit oder ohne Teilmonopol: Die Konkurrenz der elektronischen Post ist für uns bereits da und viel essenzieller als die allfällige Aufhebung des Restmonopols.

Das heisst, die Aufhebung des Restmonopols hätte kaum Einfluss auf das Ergebnis?

Die E-Konkurrenz ist da. Das Briefvolumen schrumpft jährlich um zwei Prozent. Dieser Trend wird sich wohl fortsetzen. Ein Prozent weniger Briefvolumen bedeutet eine Gewinneinbusse von rund zehn Millionen Franken.

Post AG und PostFinance AG zahlen künftig deutlich mehr Steuern. Gehen Sie dafür mit den Gewinnausschüttungen an den Bund zurück?

Der Bund als Eigner des Unternehmens Post erwartet die Ausschüttung einer Dividende. Es waren die letzten Jahre immer 200 Millionen Franken. Als AG werden wir künftig integral steuerpflichtig. Bereits jetzt geben wir 200 Millionen Franken Mehrwertsteuer und 40 Millionen Franken Ertragssteuer ab.

Würden Sie denn intervenieren, wenn die Ziele des Bundes nicht mehr realistisch sind, weil die Post zu viele neue Steuern und andere Abgaben zahlen muss?

Ja, selbstverständlich. Deshalb sind wir auf die Forderungen des Preisüberwachers auch nicht eingetreten und haben gesagt, dass keine Preissenkungen drinliegen. Denn sonst stimmen die Ziele nicht mehr, die wir mit dem Eigner und der Politik abgemacht haben.

Von der PostFinance AG wird die Post weniger Geld erhalten.

PostFinance wird der Finanzmarktaufsicht Finma unterstellt und hat klare Eigenkapitalanforderungen. Dies heisst, in den nächsten fünf Jahren wird PostFinance Teile ihrer Gewinne aufwenden, um das Eigenkapital zu stärken.

Bei der Post steht ein neuer Gesamtarbeitsvertrag an. Wie nehmen Sie den Angestellten die Angst vor Lohnsenkungen?

Wir sind eine sozialverantwortliche Arbeitgeberin, das haben wir bis anhin bei allen Reformen und Veränderungen immer wieder gezeigt und unterstrichen. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können und die Arbeitsplätze nachhaltig absichern zu können, müssen aber auch wir darauf schauen, dass wir mit unseren Löhnen im branchenüblichen Rahmen sind.

Es gibt noch 1761 klassische Poststellen, plus 495 Post-Agenturen und 1248 Hausservices. Ende Jahr wird es weniger klassische Poststellen als Alternativen geben. Geht der Kahlschlag bei den Poststellen weiter?

Aufgrund der veränderten Kundengewohnheiten ist der entsprechende Umbau des Filialnetzes eine Daueraufgabe. Wir haben viele neue Alternativformate entwickelt und erfolgreich umgesetzt. In den Berggebieten stützen wir sogar teilweise die Lädelis mit dem Zusammengehen einer Postagentur unter einem gemeinsamen Dach.

Neuerdings bringt der Postautochauffeur die Briefe und den Hausservice nach Lauterbrunnen BE. Macht dieses Modell Schule?

Diese Kombination ist auch für die Post eine Premiere. Auf der Linie Lauterbrunnen–Isenfluh fährt der Postautochauffeur seinen Kurs und bietet vor der Rückfahrt als Postbote den rund 60 Einwohnern den Hausservice. Damit stützen wir den gefährdeten Postautokurs und können gleichzeitig mit der Zustellung durch dieselbe Person einen kostengünstigen Schalter an der Haustüre umsetzen.

Konnten Sie das Poststellendefizit seit dem Start der neuen Verkaufsstrategie mit mehr Drittprodukten aus dem Telekom-Bereich senken?

Die Drittprodukte tragen dazu bei, dass die Poststellen weniger defizitär sind. Wir erzielten damit im 2012 knapp 500 Millionen Franken Umsatz – leicht mehr als im Vorjahr.

Aus Anstand nehme die Post keine Preiserhöhungen vor, solange das Verfahren des Preisüberwachers laufe. Heisst das, bis auf weiteres bleiben die Preise stabil?

Bei A- und B-Post gib es in diesem Jahr keine Preiserhöhungen, auch nicht im Paketbereich. Entscheide fürs nächste Jahr sind nicht gefallen.

Die Post schrieb satte Gewinne, da sind Preiserhöhungen auch nicht nötig.

Wir haben bei der A- und B-Post in den letzten neun Jahren nicht einmal die aufgelaufene Teuerung von 5,7 Prozent überwälzt. Wir haben über eine Milliarde in die neue Briefverarbeitung mit drei hochmodernen Sortierzentren investiert und die Effizienzsteigerung von rund 250 Millionen Franken an unsere Kunden weitergegeben. Wenn wir trotzdem Fehlbeträge ausweisen, dann kommen wir um Preiserhöhungen nicht herum.

Wieso bringt die Post stets neue Briefmarken auf den Markt, obwohl weniger Briefe versandt werden?

Briefmarken sind wie die Stärke des Briefes physisch fassbar und bewirken Emotionen. Sie gehören zur Tradition der Post. Briefmarken sind ein Kulturgut. Jede Briefmarke hat eine eigene Geschichte. Wir leisten einen Beitrag zum Kulturgut Schweiz.

Susanne Ruoff an ihrem Pult im Berner Posthauptsitz.


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