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Die letzte Botschaft vom Postchef

Jürg Bucher: «Die PostFinance steht auf keiner Liste der US-Steuerbehörden» Foto: Sabine Wunderlin

Post-Chef Jürg Bucher verlässt ein florierendes Geschäft. Im klassischen Bereich wächst die Paketpost dank zunehmender Bestellungen im Internet.

Claudia Gnehm (Text), Sabine Wunderlin (Foto)

Ende Monat verlassen Sie die Post. Legen Sie Ihr Geld künftig bei PostFinance oder bei Ihrem künftigen Arbeitgeber, der Regionalbank Valiant, an?

Jürg Bucher: Ich habe heute schon bei beiden ein Konto. PostFinance wird auch ohne mich ein sehr leistungsfähiges Finanzinstitut bleiben. Es gibt keinen Anlass, meine Konti zu ändern.

Für PostFinance zahlt es sich jetzt aus, dass sie nicht im Visier der Amerikaner ist.

Wir haben bereits seit längerer Zeit klare Regelungen. Schon lange bevor es populär war, wollten wir nur versteuertes Geld und verfolgten eine Weissgeldstrategie. Darum sind wir auch auf keiner Liste der US-Steuerbehörden. Jetzt haben wir sie weiter verschärft, aus Kosten- und Reputationsgründen.

Wie reagieren die Kunden auf die Verschärfung?

Wir haben rund 6500 US-Personen unter den Kunden. Rund 1700 Konti werden wir bis Ende Jahr aufheben. Schweizer Bürger in den USA nutzen unseren Zahlungsverkehr gerne. Post-Finance betreibt kein Trading und bietet keine Fonds in den USA an. US-Staatsbürger in der Schweiz können bei uns problemlos ein Konto haben.

Aber?

Wir verlangen eine schriftliche Erklärung, dass das Geld versteuert ist und sie müssen zustimmen, dass wir allenfalls Kundendaten weitergeben.

Freuen Sie sich darauf, bei einem Unternehmen zu arbeiten, bei dem das Volk nicht stets mitredet?

Als Unternehmenschef ist man den Eigentümern verpflichtet. Bei der Post sind dies die Schweizer Bürger, vertreten durch Bund und Parlament. Bei Valiant werden dies die Aktionäre sein, die ebenso Ansprüche haben wie die Bevölkerung, Parlament und Bund bei der Post.

Vom Eigentümer eingeschränkt wurden Sie bei der Festsetzung höherer Preise. Haben Sie überhaupt etwas durchgebracht, ohne zurückgepfiffen zu werden?

Die Mehrheit der Vorschläge wurde akzeptiert. Die Preise dürfen nicht missbräuchlich sein, müssen im Markt durchsetzbar sein und dazu beitragen, die Kosten zu decken. Bei den Preiserhöhungen, die wir für den Frühling bekannt gaben, hatte der Preisüberwacher einzig bei einem neuen Preismodell nämlich bei der Vereinfachung der Ländersektoren von Paketen ins Ausland – eine andere Meinung.

Aber bei den neuen Gebühren für Vollmachten am Schalter sind Sie nach Protesten zurückgekrebst.

Nein, Vollmachten in unserer neuen zentralen Datenbank gültig für ein ganzes Jahr bleiben kostenpflichtig. Entgegenkommen haben wir gezeigt für Kunden, die nur vereinzelt im Jahr eine Vollmacht brauchen. Hier sind wir daran, eine Lösung für Einzelvollmachten auszuarbeiten.

Wie heissen die Post-Unternehmen nach der Abspaltung von PostFinance Ende Jahr?

Als provisorischen Arbeitstitel haben wir derzeit die Post Schweiz AG, gesetzt sind Post-Finance AG, sowie Postauto AG, dies alles unter der Dachgesellschaft die Schweizerische Post AG.

Dann gibt es künftig eine Gewinnersparte mit Post-Finance AG, die weiter wachsen wird. Die Post Schweiz AG mit den klassischen Bereichen Mail und Logistik dagegen wird verlieren und zum Schrumpfunternehmen.

Mitnichten. Der Onlinehandel beschert uns zunehmend grössere Paketvolumen und bei Dienstleistungen an der Schnittstelle zwischen physischer und digitaler Kommunikation sind wir als Post gut aufgestellt, wie unser neuer Grosskunde Deutsche Bahn zeigt: 300 000 DB-Mitarbeitende entscheiden, ob sie ihre Lohnausweise künftig von uns elektronisch oder per Papier zugestellt haben wollen.

Um wie viel legten die Pakete zu?

Im ersten Halbjahr legte die Paketpost um 4,4 Prozent zu. Die Briefpost ging um 1,8 Prozent zurück, das ist weniger, als die Entwicklung in den europäischen Ländern zeigt.

Das zweite Halbjahr ist erfahrungsgemäss stärker.

Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr mehr als vier Prozent wachsen können bei den Paketen. Wir profitieren wohl auch vom tiefen Euro, der Schweizer dazu bewegt, online im Ausland vermehrt Güter zu bestellen.

Unter Ihnen wurden etliche Jobs abgebaut – und geschaffen. Ihre Bilanz?

Unter dem Strich wurden während meiner Amtszeit rund 500 Jobs geschaffen. Natürlich nimmt man es eher wahr, wenn wir in der Stückgut- und Lagerlogistik in den nächsten zwei, drei Jahren 250 Stellen abbauen müssen. Doch niemand rechnet zusammen, dass ich als PostFinance-Chef seit 2003 über 1300 Stellen geschaffen habe, Post-Auto in den letzten fünf Jahren fast 500 Vollzeitstellen kreiert und dieses Jahr bereits 60 neue Chauffeure eingestellt hat. Oder dass Swiss Post Solution die letzten drei Jahre in der Schweiz 170 Jobs geschaffen hat. Per saldo bin ich stolz.

Und dieses Jahr?

Ich rechne mit einem stabilen Bestand.

Und PostFinance baut für einmal nicht weiter aus?

Anfang Jahr gab es noch neue Stellen. Jetzt muss man vorsichtig sein, es macht keinen Sinn Leute auf Vorrat anzustellen. Das Umfeld im Finanzmarkt ist sehr volatil.

Dabei wäre es im Moment nicht so schwierig Finanzexperten zu finden.

Ja und nein. Es passen nicht alle Leute aus dem Finanzbereich zur Kultur von PostFinance.

PostFinance gewann 34000 neue Kunden im ersten Quartal. Wie verlief das zweite?

Wir sind sehr gut unterwegs. Im ersten Halbjahr wurden in Franken 115 000 Konti eröffnet und in Euro 9000. Obwohl wir die Zinsen senken mussten, haben wir nicht an Attraktivität eingebüsst.

Wenn PostFinance eine AG im Besitz der Post wird, dann fallen jährlich Unternehmenssteuern von 100 Millionen an. Wie macht die Post diese Abgaben wett?

Wir haben Auflagen, dem Bund einen Teil unserer Gewinne abzuliefern. Nun werden wir mit dem Bund darüber diskutieren, ob wir gleich viel von unserem Gewinn abliefern müssen, wenn wir hohe Steuern zahlen. Man sollte einen Ausgleich finden. Sicherlich wird nicht nur der Bund Geld aus unseren Gewinnen erhalten, sondern auch Gemeinden und Kantone.

PostFinance braucht rund vier Milliarden Eigenkapital, zwei die Post. Wo holen Sie das Geld?

Die Post verfügt über genügend eigene Mittel. Allerdings befinden sich diese Eigenmittel noch nicht in den gewünschten Gefässen. Zur Zeichnung des Aktienkapitals, also zur Barliberierung der Aktien von PostFinance AG, hat die Post aus heutiger Sicht Liquiditätsbedarf in der Grössenordnung von rund 1,3 Milliarden Franken.

Woher kommen die?

Die 1,3 Milliarden beschaffen wir auf dem Markt. Wir werden mit Schuldscheindarlehen bei institutionellen Anlegern arbeiten; vorab der öffentlichen Hand, Pensionskassen und Banken. Dabei geht es um Schuldscheindarlehen, es muss sich niemand an PostFinance beteiligen. Eine gelbe Obligation für die breite Bevölkerung ist wegen der tiefen Zinsen momentan nicht interessant

Was empfehlen Sie Ihrer Nachfolgerin Susanne Ruoff?

Wir reden viel zusammen. Via Öffentlichkeit gebe ich aber keine Tipps.

Sie ist schon im Haus?

Ja, sie hat eine intensive Vorbereitungszeit, ist die Post als Mischkonzern auf vier verschiedenen Märkten doch ein komplexes Unternehmen.


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