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«Das neue Wachstumsgebiet ist Indien»

Frachthafen von Yantian in China. Foto: K+N

Der VR-Präsident des Logistik-Konzerns Kühne + Nagel über die Expansion in China und Indien und das Irak-Geschäft. Zudem macht Kühne seiner Wut über die Ex-Monopolisten im Markt Luft und bezeichnet Peter Spuhler als wichtigsten Wirtschaftsvertreter in seiner Stiftung.

Claudia Laubscher

Der Interasiaverkehr gilt als der grösste Wachstumsmarkt für Logistikkonzerne. Wie stark ist Kühne + Nagel dort präsent?

Klaus-Michael Kühne: Die stärksten Handelsströme sind von Asien ausgehend. Wir sind seit rund 40 Jahren in Fernost tätig, mit Hongkong als Drehscheibe. Die Entwicklung in China ist bemerkenswert. Lange waren wir handicapiert, zählten 400 Angestellte und 15 Büros in China. Da wir aber keine Lizenz hatten, konnten wir nicht voll operativ tätig sein.

Und jetzt?

Kühne: Seit eineinhalb Jahren haben wir die eigene Lizenz. Derzeit beschäftigen wir gegen 1600 Mitarbeiter in China und verfügen über 20 Stützpunkte. Bis Ende Jahr werden es sicher 25 sein. Das neue grosse Wachstumsgebiet heisst Indien. Dort muss man sich nun positionieren. In Indien haben wir zurzeit knapp ein Dutzend Büros zur Zeit. Da müssen wir jetzt noch überdurchschnittlich wachsen.

Wird 2006 nach dem fulminanten 1. Quartal wieder ein Rekordjahr für Kühne + Nagel?

Kühne: Das Jahr hat gut angefangen. Durch den Kauf der ACR-Gruppe, die per 1. Januar wirksam wurde, konnten wir in der Kontraktlogistik das Volumen stark steigern. Prognosen machen wir nicht.

Haben Kunden der übernommenen Kontraktlogistikfirma ACR, die bei See- und Luftfracht etwa von Panalpina bedient wurden, bereits zu Ihnen gewechselt?

Kühne: Im 1. Quartal hat sich das noch nicht ausgewirkt. Doch es gibt natürlich Kunden, der grösste ist Carrefour, bei denen wir versuchen, auch in der See- und Luftfrachtspedition zum Zuge zu kommen. Aber das wirkt sich nicht sofort im Ergebnis aus. Bis Ende Jahr kann man mit Synergieeffekten rechnen.

Im Landverkehr lagen die Margen im 1. Quartal unter den Erwartungen.

Kühne: Wir bauen den Landverkehr auf, und das lassen wir uns auch etwas kosten. In erster Linie gilt es, ein gewisses Volumen zu erreichen, um zu den grossen Unternehmungen auf diesem Gebiet in Europa vorzustossen. Zuerst investieren wir und bauen Systeme sowie Personalkapazitäten aus. Es ist absolut normal, dass wir in diesem Geschäft derzeit kein Geld verdienen.

Dann ist im Landverkehr heuer nicht mit einer Margensteigerung zu rechnen?

Kühne: Wenn man ein bestimmtes Volumen erreicht hat, dann sind die Margen im Landverkehr gut. Sie resultieren aus Skaleneffekten. Solche Effekte sind erst möglich, wenn man zu den führenden Anbietern in Europa gehört.

Welche Investitionssumme haben Sie sich für heuer vorgenommen? Letztes Jahr waren es 250 Mio Fr.

Kühne: Bereits investiert haben wir 440 Mio Euro für ACR. Solche spektakulären Akquisitionen kommen nur alle fünf bis sechs Jahre vor. Wir haben wie letztes Jahr kleine Übernahmen, besonders im Landverkehr, im Sinne.

Die Branche befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Welche Marktposition hat Kühne + Nagel?

Kühne: Im Seefrachtgeschäft waren wir bis Ende letzten Jahres die Nummer eins …

Waren.

Kühne: In diesem Jahr ist das Rennen offen, weil die Deutsche Post 2005 Exel gekauft hat. Wir sind der Meinung, dass wir nach wie vor an der Spitze sind, weil wir die grösseren Zuwachsraten haben. Die Deutsche Post behauptet, sie sei jetzt Nummer eins. Ob wir Nummer eins oder zwei sind, ist nicht entscheidend. Panalpina ist uns jedenfalls voraus in der Luftfracht. Sie erzielt jedoch die geringeren Margen. Unser Luftfrachtgeschäft ist hochrentabel. Wir sind die Nummer vier und Panalpina ist Nummer drei.

Wie differenziert sich Kühne + Nagel von den Mitbewerbern?

Kühne: Indem wir den Kunden ein Komplettangebot machen, das heisst, wir bieten ein «One-stop-shopping». Zudem sind wir geographisch homogener als die anderen. Mankos gibt es noch bei der Kontraktlogistik. Zwar ist sie in Europa und Nordamerika gut entwickelt, im Fernen Osten ist sie aber noch unterentwickelt. Dort müssen wir uns verstärken. Dazu gehören auch Investitionen in Lager.

Sie haben keine Bedenken, Lager-Assets in China und Indien aufzubauen?

Kühne: Nein. Wie in Europa oder den USA, wenn wir ein Lager brauchen, können wir mieten, bauen, kaufen oder einen Investor als Partner haben, der für uns baut und es uns dann langfristig vermietet. An besonders interessanten strategischen Plätzen bilden wir Eigentum, weil wir dort gleichzeitig Wertzuwachs generieren. In China würde ich noch kein Eigentum bilden wollen. Dazu ist das politische System zu anders.

Die Immobilien-Assets gelten als das grösste Risiko von Kühne + Nagel. Ein Risiko, das Panalpina nicht hat.

Kühne: Von Lagerhäusern und Eigentum kann man sich nicht so schnell trennen. Für viele unserer Lager haben wir langfristige Verträge. Aber: Wenn wir Eigentum bilden, schaffen wir gleichzeitig stille Reserven. Man kann also auch sagen, dieses Geschäft gibt uns mehr Sicherheit und Stabilität. Ich würde nicht gerne mit Panalpina tauschen. Sie sind zu einseitig.

Der Mehrertrag von Panalpina kommt vermehrt aus dem Öl- und Gasgeschäft.

Kühne: Panalpina hat tatsächlich im Öl- und Gasgeschäft eine Sonderstellung. Sie haben früh damit begonnen und verfügen über ein Zuwachsprodukt, das eine hohe Wertschöpfung bringt und aufgrund der steigenden Ölpreise auch schöne Volumen erwarten lässt. Wir haben in diesem Segment eine weniger starke Stellung. Unser ertragstärkster Bereich ist die Seefracht, weil wir dort die ganz grossen Volumen haben, ebenso ertragreich ist auch das Luftfahrtgeschäft. Entscheidend ist jedoch das Gesamtangebot für die Kunden.

Wird es so weit kommen, dass die Kontraktlogistik die Bereiche Luft und Meer beim Volumenwachstum überholt?

Kühne: Langfristig schliesse ich das nicht aus. Es gibt nur wenige Logistikunternehmen, die Kontraktlogistik weltweit offerieren können. See- und Luftfracht werden durch den Welthandel stimuliert und solange dessen Wachstum anhält, können wir überdurchschnittlich daran partizipieren. Selbst wenn der Konjunkturmotor wieder ins Stottern kommt, muss uns das nicht schaden. Vom Irak-Krieg wurde unser Geschäft auch nicht beeinflusst. Im Gegenteil, wir haben einige gute Abschlüsse im Irak gemacht, die vorher nicht möglich waren.

Hat Kühne + Nagel Hilfsgüter nach Irak spediert oder auch Infrastrukturgüter?

Kühne: Beides. Wir sind in Infrastrukturprojekte von amerikanischen Unternehmen involviert, die dort in den Wiederaufbau investieren. Geschäfte hatten wir bereits zu Saddams Zeiten, das waren offizielle, durch die UNO bewilligte Transporte über das Rote Meer nach Bagdad.

Im Ölgeschäft ist Kühne + Nagel im Irak nicht tätig?

Kühne: Nein. Für gewisse US-Firmen führen wir Ersatzteillieferungen durch.

Bereuen Sie, dass Kühne + Nagel nicht früher ins Ölgeschäft eingestiegen ist?

Kühne: Man kann nicht alles gleichzeitig machen. Dieses Geschäft hat Panalpina entdeckt, und das war historisch bedingt, weil sie schon immer sehr stark in Westafrika waren. Nigeria ist ein fantastisches Ölland. Es ist zwar schön, so stark in diesem Geschäft zu sein. Aber tauschen wollte ich nicht. Wir haben mehr auf Fernost und Nordamerika gesetzt, dort ist das Geschäft vielschichtiger. In Nigeria gibt es nur Öl und nochmals Öl. Diese einseitige Struktur ist langfristig problematisch. Erstens ist es eine «heisse» Ware und zweitens geht sie irgendwann zur Neige. Der Zenit ist jedenfalls überschritten.

Sie haben die Expansion der Ex-Monopolisten wie Deutsche Post ins Logistikgeschäft bereits hart kritisiert. Mit der weiteren Liberalisierung des Postmarktes wird die Zahl der expansionshungrigen Ex-Monopolisten steigen. Unternehmen Sie oder die Branche etwas Konkretes?

Kühne: Letzteres kann man klar verneinen. Jeder muss für sich selbst schauen. Die KMU sind von der Post, die überall aggressiv an die Kunden herangeht, viel mehr betroffen als wir. Die Verbände halten sich vorerst raus, schliesslich kriegen sie auch Mitgliedsgebühren von der Deutschen Post. Ich finde, man muss das Postmonopol thematisieren, das eigentlich im Jahr 2002 auslief und dann um fünf Jahre verlängert wurde. Das passt nicht in die EU, wo man immer von Liberalisierung und Deregulierung spricht.

55,75% der Gruppe gehören Ihnen respektive der Kühne-Holding, deren Anteil spätestens bei Ihrem Tod in die Kühne-Stiftung übergeht. Besagt die Stiftungsstrategie, dass sie die Mehrheit behalten muss?

Kühne: Nein. Es gibt keine Festlegungen. Das wäre unvernünftig. Zurzeit bin ich Mehrheitsgesellschafter. Falls ich einmal ausfallen sollte, steht die Stiftung bereit, um diese Firmenanteile zu übernehmen. Es kann sein, dass zu meinen Lebzeiten über Kapitalerhöhungen für weiteres Wachstum mein Anteil sinkt.

Wer entscheidet in der Kühne Holding?

Kühne: Für die Holding gibt es einen Verwaltungsrat, der aus unabhängigen Persönlichkeiten besteht, die dieselbe Denkweise haben wie ich. Der bekannteste Wirtschaftsvertreter ist Peter Spuhler, Nationalrat und Stadler-Chef.

Michael Kühne. Foto:CC Mon4711

Hintergrund

Steckbrief

Name: Klaus-Michael Kühne

Funktion: Verwaltungsratspräsident von Kühne + Nagel, mit 55,75% Hauptaktionär von K+N

Alter: 69

Familie: Verheiratet

Ausbildung: Abitur und Banklehre

Karriere

1963-1965 Einstieg in die Firma des Vaters mit Sitz in Bremen

1965-1999 Vorstandsvorsitzender von Kühne+Nagel

Seit 1992 Präsident der Kühne+ Nagel-Gruppe

Logistikkonzern Der Sitz des 1890 gegründeten Unternehmens befindet sich in Schindellegi SZ. Grund für die Lokation sind nicht günstige Steuern, sondern einfacher Erhalt von Arbeitsbewilligungen für Ausländer.

Umsatz Kühne+Nagel erzielte 2005 mit 40000 Mitarbeitern an 750 Standorten einen Umsatz von 14 Mrd Fr. und einen Reingewinn von 318 Mio Fr. Kühne+Nagel galt bisher als Weltmarktleaderin in der Seefracht und einer der grössten Konzerne in der Luftfracht, Landverkehr und Kontraktlogistik.

Steckbrief


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