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Das ist meine neue Süsse

Entschlüsselung einer Pflanzen-DNA Foto: Courtesy of Syngenta

Der Amerikaner an der Spitze der Basler Syngenta bekennt sich zu Obama und nervt sich über Genfood-Gespräche.

Claudia Gnehm

Sie ist klein, rot, süss – und ohne Kerne. Die neue Mini-Peperoni «Angello» des Schweizer Agrochemie-Konzerns Syngenta ist ein idealer Gemüse-Snack für unterwegs. Seit kurzem ist sie bei Migros für Fr. 2.50 pro 100 Gramm erhältlich. Auch die Kinder von Syngenta-Chef Mike Mack (52) packen das knallrote Knackgemüse in ihre Znüni-Boxen.

Für den Konsumenten ist nicht erkennbar, dass die Peperoni von Syngenta-Saatgut stammt. Auch Migros und Coop geben an, die Saathersteller ihrer Produkte nicht zu kennen. Ausser bei zwei Tomaten, die Syngenta als Marke eintragen liess: «Kumato» und «Toscanella».

Das Unternehmen, welches 2000 aus den Agrarsparten von Novartis und Astra Zeneca hervorgegangen ist, ist Weltmarktführer bei Pflanzenschutzmitteln. Und nach Monsanto und DuPont drittgrösster Saatguthersteller.

Wichtig für ihn sei, so Syngenta-Chef Mack: dass die Konsumenten überzeugt sind, dass das, was sie essen, gesund sei. «Es ist nicht so wichtig, dass die Konsumenten wissen, welchen Beitrag Syngenta leistet, um die Ernten zu verbessern.»

Die Chance, dass Früchte und Gemüse auf unserem Teller vom Agromulti aus Basel stammen, ist gross. Von 231 geschützten Tomaten in Europa gehören inzwischen 26 Prozent Syngenta. Bei den Peperoni sind es 24 Prozent, bei Rüebli 25 Prozent. Mit Früchte- und Gemüsesaatgut setzt Syngenta jährlich eine halbe Milliarde um. Der grössere Teil des Umsatzes von insgesamt 13 Milliarden Dollar stammt von Reis-, Mais- und Getreidesaaten sowie von Insektiziden, Herbiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln.

Übrigens: Die «Angello»-Peperoni wurde nicht mit genetisch veränderten Organismen geschaffen, sondern durch herkömmliche Züchtung. Den Amerikaner Mack nervt es, dass er in Europa selbst an Privatanlässen darauf angesprochen werde, ob die Nahrungsmittel von Syngenta genmanipuliert seien. In Europa und in der Schweiz bringt Syngenta keine Gensaaten auf den Markt.

Die Abneigung der Europäer gegen Gentechnik versteht Mack nicht. In der US-Landwirtschaft gibt es beinahe keine gentechfreien Saaten mehr. Er ist überzeugt, dass auch Europa eines Tages genetisch veränderte Pflanzen zulassen wird: «Einfach weil Gentechnik Probleme wie Dürre, Fungizide und so weiter lösen kann. Und weil sie Preisvorteile hat.» Syngentas Zukunft hänge aber nicht davon ab, dass Europa Gentech zulasse. Und: «Für die Schweiz eignen sich Gentech-Saaten sowieso nicht.» Sie seien für grosse Anbauflächen geeignet, die es hier nicht gibt.

Agrotechnologie bringt aus Macks Sicht nicht nur Ertragssteigerungen, sondern sogar die Lösung, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. In der Schweiz und Europa soll die Technologie in erster Linie helfen, die Konsumenten zu gewinnen. Mack: «Die Leute wollen nicht die alten Tomaten essen, die vor 20 Jahren entwickelt wurden. Sie wollen die neuen, die besser und erschwinglich sind.» Eines dieser neuen Produkte ist eine süsssaure Melone. «Eine solche Melone erinnert die Konsumenten daran, dass sie nicht immer dasselbe essen müssen – und dass Früchte und Gemüse essen ein gutes Erlebnis sein kann.»

Die neue Melone konnte Syngenta beim Europäischen Patentamt als geschützte Sorte eintragen, allerdings nur gegen Widerstand. Bauernverbände und Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass Syngenta auf allen Melonen mit süss-aurem Geschmack Eigentumsrechte geltend macht. Mack wiegelt ab: «Patentschutz und Besitzerrechte sind zeitlich sehr begrenzt.»

Beim Syngenta-Mais müssen die Bauern mit der Saat auch gleich die Pestizide von Syngenta mitkaufen. Gilt das bei den Melonen und den «Angello»-Peperoni auch? Mack verneint. Für den Grossteil der Früchte und Gemüse, die in Gewächshäusern wachsen, brauche es keine Pflanzenschutzmittel.

Dennoch lässt sich die Abhängigkeit der Bauern von Syngenta nicht wegdiskutieren. Gemüseund Früchtebauern behalten die Kerne – sofern die Früchte überhaupt noch welche tragen – nicht für die nächste Saison. Sie müssen immer wieder neue kaufen. «Doch das wollen die Bauern auch, denn die Qualität der Saaten erhöht sich jedes Jahr um drei Prozent», behauptet Mack.

Teil der Firmenstrategie ist es, Saaten und Pflanzenschutz als Paket an die Bauern zu bringen. Kritiker warnen davor, sich in die Abhängigkeit zu begeben, und finden es bedenklich, dass immer mehr Saatgut von Pestizid-Herstellern verkauft wird.

Mack, der letztes Jahr 8,5 Millionen Dollar verdiente und bis vor kurzem Präsident der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer war, findet mit seinen Ansätzen zur Ertragssteigerung bei den Mächtigen der Welt Gehör. Im Mai wurde er von Barack Obama für den G-8-Gipfel zur Hungerkrise in die USA eingeladen.

Vor vier Jahren hat Mack Obama gewählt. Wählt er ihn nochmals? Wahltag sei erst im November. «Doch ich war sehr beeindruckt von Obamas Bekenntnis zur Landwirtschaft und zur Bedeutung der Agrotechnologie, die er für Afrika sieht.» Auch Aussenministerin Hillary Clinton befürworte seine Strategie zur Nahrungsmittelsicherheit. «Wenn ich heute wählen müsste, dann schneidet Obamas Regierung sehr gut ab.»

Syngenta-CEO Mike Mack und die neue Mini-Peperoni "Angello"

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